Wie die Zigarette das Unterbewusstsein erobert

Tabakkonsum: Die Sucht verankert sich tief im Unterbewusstsein. – Foto: AdobeStock/LUMEZIA.com
Zigaretten stillen eine Sucht, die sie selbst erzeugt haben. Und sie ergreifen Besitz von Körper, Geist und Seele und leeren das Portemonnaie. Das Nikotin erobert sich einen festen Platz im Nervenstoffwechsel; das Rauchen als soziales Ritual und die damit verbundenen Erlebnisse verankern sich tief im Gemüt. Ein Teil des Leidens bei Rauchern besteht darin, dass der rationale Teil in ihnen um die Dramatik dieser Sucht sehr gut Bescheid weiß. Und dass Vernunft und Verlangen laufend im Clinch miteinander liegen.
Zigarettenrauch: 4.800 Chemikalien, 90 davon krebserregend
Rauchen heißt: stinkende Klamotten, Mundgeruch, schlaffe Haut im Gesicht. Etwa 4.800 Chemikalien sind im Rauch einer Zigarette enthalten, davon sind rund 90 nachgewiesenermaßen krebserregend. Rauchen führt zu schweren Krankheiten wie Herzinfarkt und Lungenkrebs und gilt als die größte vermeidbare Todesursache. Anders als Bier oder Wein, die immerhin Flüssigkeit liefern, ist in der Zigarette kein einziger Begleitstoff enthalten, der als Alibi taugen würde. Arsen, Benzol, Cadmium, Dioxin: All das braucht der Körper nicht. Der durchschnittliche Raucher gibt rund 150 Euro im Monat für Tabakwaren aus und dies eher unfreiwillig als freiwillig.
95 Prozent der Rauchstoppversuche ohne ärztliche oder therapeutische Hilfe enden erfolglos
Um vom Rauchen loszukommen, braucht man besonders viel Willensstärke. Jeder Fünfte Raucher unternimmt mindestens einmal im Jahr einen Anlauf, seine Sucht zu besiegen. Die Entzugssymptomatik aber fühlt sich elend an. Rauchstoppversuche ohne ärztliche oder therapeutische Hilfe enden in 95 Prozent der Fälle innerhalb von zwölf Monaten erfolglos. Zu den nicht-medikamentösen Verfahren, um sich aus der Sucht herauszuwinden, gehört die Hypnose. Hypnose-Coachin Simone Kriebs aus Kempen am Niederrhein erklärt, wie geschickt sich die Zigarette in das Wesen des Rauchers einschmuggelt – und wie Hypnosetherapie an dieser Stelle ansetzt, um die Sucht zu überwinden.
Frau Kriebs, wie kommt es, dass Menschen rauchen?
Viele Menschen haben sich in der Jugend das Rauchen angewöhnt. Meist, um innerhalb einer Gruppe an Gleichgesinnten akzeptiert zu werden. Der Griff zur Zigarette als Ritual des Erwachsenwerdens nimmt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle ein. Über die Jahre hat sich das Rauchen indes auch als etwas Positives im Unterbewusstsein festgesetzt. So wird häufig in Arbeitspausen eine Zigarette angezündet, um zu entspannen. Oft genügt schon ein erster leichter Tabakgeschmack im Mund, um dem Betroffenen zur Ruhe und zu Glücksgefühlen zu verhelfen. Im Zeitraum mehrerer Jahre oder sogar Jahrzehnte hat das Gehirn die ihm immer wieder vermittelte Botschaft längst verstanden: Zigaretten werden als etwas Gutes und Vorteilhaftes wahrgenommen – umso schwerer ist es, die Sucht aufzugeben.
Fakten, die für das Rauchen sprechen, gibt es praktisch nicht. Warum rauchen Menschen trotzdem?
Rational wissen die meisten Raucher, dass der Tabakgeschmack gewiss keine Köstlichkeit ist. Ebenso sind sie sich über die gesundheitsschädigende Wirkung der Zigaretten im Klaren. Dennoch ist das Unterbewusstsein derart stark, dass es sich über viele Jahre hinweg eigene Mechanismen entwickelt hat, um derlei vernünftigen Gedanken die Kraft zu nehmen. Das Denken wird blockiert. Es ist beinahe so, als habe sich der Betroffene durch die langen Jahre des Rauchens selbst hypnotisiert – er hat sich ein negatives Verhalten angewöhnt, das er alleine kaum beenden kann.
Wann beginnt der Leidensdruck bei Rauchern so groß zu werden, dass für sie der Rauchstopp zum Thema wird?
Je älter und erfahrener die Betroffenen werden, desto mehr wird das Rauchen zur Last – in vielen Fällen sogar zur Sucht. Aber so leicht es einst war, damit vor vielen Jahren anzufangen, so schwer ist es heute, diese geliebte Gewohnheit wieder zu beenden.
Sätze, die Raucher gerne sagen, während sie sich eine Zigarette anstecken, sind: „Ja, ich weiß, dass das eine Sucht ist“ oder „Ich hoffe, dass ich mir das bald abgewöhnen kann“. Das illustriert den inneren Kampf, den sie kämpfen und der Teil ihrer Sucht ist.
Im Gehirn des Menschen gibt es mehrere Ebenen, die für das Denken und Fühlen verantwortlich sind. Gerade bei Rauchern lässt sich ein Widerstreit zwischen der rationalen und der emotionalen Wahrnehmung erkennen. So sicher sich die Logik über die Gefahren des Rauchens sein mag, so sehr profitiert die Gefühlswelt vom Zug an der Zigarette. Zwei wesentliche Bereiche des Gehirns treffen hierbei aufeinander – und reden doch aneinander vorbei. Es ist, als würden zwei unterschiedliche Stimmen debattieren und dabei zwei unterschiedliche Sprachen sprechen. Solange die Vernunft nicht siegt, ist es unmöglich, die Sucht zu bekämpfen.
Eine US-Studie ergab: Unassistierte Rauchstoppversuche enden in 95 Prozent der Fälle innerhalb von zwölf Monaten erfolglos. Neben der ärztlichen Beratung, einer Verhaltenstherapie oder einer stofflichen Therapie mit Nikotinersatzpräparaten versuchen es Raucher auch mit alternativen Verfahren und gehen zum Heilpraktiker, zur Akupunktur oder zur Hypnosetherapie – wie in Ihrem Fall. Was kann Hypnose beim Ausstieg aus dem Rauchen leisten?
Raucher befürchten zumeist, dass eine Sucht, die über Jahre hinweg aufgebaut wurde, sich nicht über Nacht beenden lässt. Und „über Nacht“ kann es auch nicht gehen. Allerdings: Nach ein bis drei Hypnosesitzungen können Menschen tatsächlich rauchfrei sein – ohne Entzugserscheinungen und ohne Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Suchtverlagerung. In nur ein bis drei Sitzungen kann also die tiefsitzende Sucht gelöst werden. Ehemalige Raucher können sich dann wieder aktiv sich selbst widmen. Pausen, werden zu Pausen. Sie stehen nicht mehr ausschließlich in Verbindung mit der früher geliebten Zigarette und können sein, was sie normalerweise sein sollen: Erholung.
Was ist das Spezielle an der Hypnose, um die fatale innere Mechanik der Tabaksucht zu überwinden?
Mit Hypnose ist es möglich, beide Bereiche des Gehirns anzusprechen: Dem Bewusstsein wird ebenso wie dem Unterbewusstsein verdeutlicht, dass es sich beim Griff zur Zigarette stets um etwas Negatives handelt. Überraschend schnell gelingt es auf diese Weise, bestehende Verknüpfungen im Gehirn zu durchbrechen – und die jahrelange Sucht zu besiegen.