Was Depressionen mit Entzündungen zu tun haben

Chronische Entzündungsvorgänge im Körper sind häufig an starken Depressionen beteiligt. Diese Erkenntnis eröffnet nun völlig neue Therapieansätze – Foto: ©Siarhei - stock.adobe.com
Einer Depression liegen immer mehrere Ursachen zu Grunde. Dass es eine erbliche Veranlagung für die Schwermut gibt, gilt dabei als ausgemacht. Jedoch müssen noch weitere Faktoren hinzukommen, um eine Depression auszulösen, etwa schlimme Erfahrungen oder chronischer Stress.
Die Schulmedizin geht davon aus, dass bei einer Depression ein Ungleichgewicht bzw. Mangel bestimmter Nervenbotenstoffe vorliegt. Bei einer Depression versucht man, mit Antidepressiva in den biochemischen Haushalt des Gehirns einzugreifen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Serotonin.
Oft wirken die Psychopharmaka aber nicht oder nicht ausreichend. Offenbar scheint es noch andere Mechanismen im Körper zu geben, die eine Depression auslösen und aufrechterhalten. Möglicherweise könnten das Entzündungen sein. Denn insbesondere bei Patienten mit therapieresistenten Depressionen wurden auffällig hohe Entzündungswerte gefunden.
Erhöhte Entzündungswerte, kein Ansprechen auf Antidepressiva
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass erhöhte CRP-Werte mit stärkeren depressiven Symptomen einhergingen. Von diesem Zusammenhang waren vor allem Frauen betroffen. Das sogenannte c-reaktive Protein (CRP) ist ein einfach zu bestimmender Marker, der eine Antwort des Körpers auf Verletzungen oder Infekte ist.
Eine Metastudie, die 30 Unterstudien zusammenfasste, hat gezeigt: Schwer depressive Patienten, die in allen Unterstudien zusätzlich Entzündungshemmer einnahmen, wurden zu 52% erfolgreicher behandelt als mit Placebo. Das heißt, bei ihnen waren die Symptome deutlich schwächer als zuvor. Besonders wirksam waren Statine (auch als Cholesterinsenker eingesetzt), Omega-3-Fettsäuren und Nicht-Steroidale Antirheumatika.
Bei depressiven Patienten ist besonders häufig der Entzündungsmarker IL-6 erhöht. Köhler und Kollegen (2017 im Fachjournal Acta Psychiatrica Scandinavica ) führten in einer Übersichtsstudie eine Vielzahl von Entzündungsanzeichen auf, die bei der Depression erhöht sind. Auch der Tumornekrosefaktor, kurz TNF-α, scheint, ähnlich wie das CRP, besonders bei behandlungsresistenten Depressionen auffällig erhöht zu sein. Die speziellen Entzündungsmarker sind dabei typischerweise sogenannte Zytokine: Substanzen, die die Bewegung von Zellen durch den Körper anregen oder erleichtern.
Abwehrzellen wandern ins Gehirn ein
Können diese Stoffe zu Depressionen führen? Jha und Trivedi meinen ja. Die fraglichen Zytokine könnten nämlich die Einwanderung von Abwehrzellen in das zentrale Nervensystem und das Gehirn erleichtern. „Dort werden diese Abwehrkämpfer vermutlich zum Schaden der psychischen Gesundheit aktiv“, so das Autorenteam.
Weiter berichten die beiden, dass manche der klassischen Antidepressiva auch gegen einige der entzündungsfördernden Stoffe wirken. Beispielsweise scheinen Mittel der SSRI-Klasse die Menge von Interleukinen IL-4, IL-6 und IL-1β zu senken. „Aus der Forschung [...] wird nun also deutlich, dass auch klassische Antidepressiva mehr erreichen als nur die Wirkung von Nervenbotenstoffen zu verlängern.“
Entzündungshemmende Wirkstoffe könnten wirksam gegen Depressionen sein
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass entzündungshemmende Wirkstoffe aus dem Bereich der Autoimmunerkrankungen auch für die Behandlung von Depressionen an Bedeutung gewinnen, insbesondere Substanzen wie Sirukumab gegen IL-6, Guselkumab gegen IL-23 oder Adalimumab gegen TNF-α.
Diagnose und Behandlung - der umgekehrte Weg bei Depressionen
Zur Diagnose von Depressionen können Patienten mit depressiven Symptomen zuerst auf entzündliche Prozesse hin zu untersucht und behandelt werden. Klassische Antidpressiva könnten erst nachrangig zum Einsatz kommen oder gezielt dann eingesetzt werden, wenn bekannt ist, dass sie auch gegen die jeweils erhöhten Entzündungsmarker wirken.
Referenzen: Jha MK, Trivedi MH. Personalized antidepressant selection and pathway to novel treatments: Clinical utility of targeting inflammation. Int J Mol Sci. 2018;19(1):233. doi:10.3390/ijms19010233.
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