Von wegen Abrechnungsbetrug - Urologen wehren sich gegen NDR-Vorwürfe

Absurder Bürokratismus bringt Urologen unter Verdacht, Beschneidungen falsch abgerechnet zu haben
Haben zahlreiche Ärzte wirklich Abrechnungsbetrug begangen und Beschneidungen bei den Krankenkassen falsch abgerechnet, wie es der NDR am 15. Januar in seiner Sendung „NDR Radio deckt auf: Ärzte betreiben Abrechnungsbetrug mit Beschneidungen“ berichtete? Die Urologen sagen: nein. „Bei dieser polemisch aufgemachten Meldung handelt es sich um eine Falschmeldung“, erklärt der Generalsekretär Deutschen Gesellschaft für Urologie Prof. Oliver Hakenberg in einer aktuellen Stellungnahme. Und er legt nach: „Diese Meldung verdeutlicht, wie schnell und voreingenommen gegen Ärzte Vorwürfe erhoben werden, wenn man damit Schlagzeilen machen kann.“
Abrechnungsbetrung mit Beschneidungen: NDR stützt sich auf Experten-Aussagen
Klar, dass die Urologen eine derartige Behauptung nicht auf sich sitzen lassen wollen. Aber wer hat nun Recht? Der NDR bezieht sich bei seinen Recherchen erstens auf den Fakt, dass eine Beschneidung von den Kassen nur dann bezahlt wird, wenn sie aus medizinischen und nicht aus religiösen Gründen erfolgt. Und zweitens müssen Ärzte der Patientenakte eine Fotodokumentation oder einen pathologischen Befundbericht der entfernten Vorhaut beifügen – quasi um den Kassen zu beweisen, dass der Eingriff tatsächlich stattgefunden hat. Andernfalls ist nach Kassenrecht eine Abrechnung nicht möglich. Weil bei Stichprobenprüfungen in vielen Akten aber weder Fotos noch Pathologieberichte zu finden waren, schließt der NDR auf Abrechnungsbetrug. Neben Experten aus dem Bundesgesundheitsministerium und der Kassenärztlichen Vereinigung bestätigte auch der Bremer Gesundheistökonom Gerd Glaeske dem Sender: „Die betroffenen Mediziner haben ganz klaren Abrechnungsbetrug begangen".
Peinliche Fotos für den Buchhalter
Urologen wehren sich indes schon lange gegen die aus ihrer Sicht sinnlose Dokumentation und sehen deshalb in den fehlenden Materialien keinerlei Hinweise auf Abrechnungsbetrug. „Zahlreiche Urologen haben gegen diese unsinnigen Anforderungen Widerspruch eingelegt: Für Patienten und Ärzte ist es sowohl abwegig wie peinlich, Genitalfotos anfertigen zu müssen, nur um die Kontrolleure der Abrechnungsstelle zufrieden zu stellen“, so Prof. Hakenberg. Die pathologische Untersuchung einer entfernten Vorhaut sei nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Wenn sie nur zu eng war, sei eine Gewebeuntersuchung nutzlos und widerspreche damit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Sozialgesetzbuches, wonach nur medizinisch sinnvolle und notwendige Leistungen erbracht werden sollen. „Eine Gewebeuntersuchung zu Dokumentationszwecken ist kostentreibender Unfug“, so der Urologe, und weiter: „Dabei ist dies lediglich ein Beispiel für Verwaltungsbürokratismus, der sich selbst ad absurdum führt.“
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