UV-Blocker und andere Alltagschemikalien stören die Spermienfunktion

Hormonell wirksame Chemikalien: Auch in Zahnpasta stecken die Störer des Hormonsystems
Hormonell wirksame Chemikalien (Endocrine disrupting chemicals) finden sich in Plastikflaschen, Textilien, Haushaltsprodukten und Spielzeug, aber auch in Kosmetika und Lebensmitteln. Bislang konnte man die schädliche Wirkung der Substanzen auf den Menschen schwer nachweisen, da keine geeigneten Testsysteme existierten. Eine deutsch-dänische Forschergruppe des Center of Advanced European Studies and Research (Forschungszentrum caesar) in Bonn und des Rigshospitalet in Kopenhagen hat in monatelanger Arbeit nun ein Verfahren entwickelt, mit dem die Wirkung auf menschliche Spermien zuverlässig untersucht werden kann.
Ein Drittel der untersuchten Substanzen greift aktiv in den Kalzium-Haushalt der Spermien ein
Rund 100 Hormonell wirksame Chemikalien – darunter Konservierungsstoffe, UV-Blocker und Weichmacher - haben die Wissenschaftler in einer Studie getestet. Etwa 30 davon stören den Kalzium-Haushalt der Spermien, darunter Bestandteile von Sonnenschutzmitteln wie 4-Methylbenzylidencampher (4-MBC), der Kunststoff-Weichmacher Di-n-butylphthalat (DnBP) sowie das antibakteriell wirkende Triclosan, das in Zahnpasta und Kosmetika enthalten ist. Den Forschern zufolge ändert der Eingriff in den Kalzium-Haushalt das Schwimmverhalten der Spermien und führt dazu, dass Enzyme freigesetzt werden, die Spermien normalerweise helfen, die schützende Hülle der Eizelle zu durchdringen.
Der Befruchtungsvorgang wird empfindlich durcheinandergebracht
Dadurch werde der Befruchtungsvorgang empfindlich durcheinandergebracht, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift EMBO reports. Die Substanzen könnten die Navigation der Spermien hin zur Eizelle stören oder die Spermien daran hindern die Eihülle zu durchdringen. Weiter fanden die Wissenschaftler heraus, dass auch Cocktails, die verschiedene Substanzen in geringer, kaum wirksamer Konzentration enthalten, große Kalzium-Antworten in Spermien auslösen können. „Zum ersten Mal konnten wir nachweisen, dass eine Vielzahl weit verbreiteter Substanzen eine direkte Wirkung auf menschliche Spermien hat“, sagt Prof. Niels E. Skakkebaek, Leiter des dänischen Forscherteams vom Rigshospitalet in Kopenhagen.
Die Arbeit liefere nun wissenschaftliche Belege, die helfen, neue Richtlinien zu erarbeiten. Im vergangenen Jahr wurde die Frage, ob man die Verwendung dieser Substanzen weiter einschränken sollte, kontrovers zwischen Endokrinologen und Toxikologen diskutiert. Die EU-Kommission überprüft derzeit Richtlinien über Grenzwerte für hormonell wirksamen Chemikalien
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