Uniklinik Würzburg lockt Pflegekräfte mit unkonventionellen Arbeitsbedingungen

Not macht erfinderisch: Die Uniklinik Würzburg hat ein ungewöhnliches Programm zur (Wieder-)Gewinnung von Pflegekräften aufgelegt. Arbeitszeitumfang und Dienstplan dürfen sie individuell gestalten. – Foto: AdobeStock/auremar
Beide Sätze stimmen: Satz eins: Der Personalmangel bei Pflegefachkräften verstärkt sich mit dem demografischen Wandel immer mehr. Satz zwei: Es gibt in Deutschland eine Ressource an ausgebildeten (und inländischen) Pflegefachkräften – die viel größer ist, als man erwarten mag. Das Problem ist nur: Viele dieser Pflegekräfte sind aus ihrem einst mit viel Idealismus ergriffenen Beruf ganz ausgestiegen. Oder sie sind partiell ausgestiegen – durch eine Flucht in Teilzeitbeschäftigung. Häufiger Grund dafür: die Frustration über die Arbeitsbedingungen. Nach Berechnungen des Deutschen Pflegerats (DPR) liegt dieses Potenzial rechnerisch bei 300.000 Vollzeitkräften – Minimum. Zum Vergleich: Aktuell fehlen in Deutschland etwa 200.000 Pflegekräfte. Nach einer Prognose des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln wird diese Zahl in den nächsten Jahren auf eine halbe Million ansteigen.
Pflege: Viele Berufsaussteiger würden wiederkommen
Weil die Rekrutierung von Kräften aus dem Ausland das Problem vielleicht etwas lindern, aber niemals lösen kann, und weil bekannt ist, dass viele Pflegekräfte in Deutschland unter besseren Bedingungen bereit wären, in ihren Beruf zurückzukehren oder hier einzusteigen, fährt die Uniklinik Würzburg jetzt eine unkonventionelle Strategie bei der Gewinnung von Personal: Sie holt die Pflegefachkräfte positiv bei den Punkten ab, die viele in eine Berufsaufgabe oder wenigstens in die Frustrations-Teilzeit getrieben haben. Hierzu zählen eine schlechte Work-Life-Balance durch Überstunden; Schichtarbeit, die nicht zum aktuellen Familienleben passt; oder die gängige Praxis, aus der Freizeit unter moralischem Druck zum Dienst gerufen zu werden, wenn plötzlich Not am Mann ist („Einspringen aus dem Frei“).
Neuer Ansatz hat sich im Ausland bereits bewährt
Das Programm trägt den Namen „Flex4UKW“: Das steht für „Flexibilität für die Uniklinik Würzburg“, die sich selbst mit „UKW“ abkürzt. Hinter dem Programm steht ein Ansatz, der sich der Klinik zufolge in den Niederlanden bereits bewährt hat. Langfristiges Ziel ist es, umgerechnet rund 160 zusätzliche Vollzeitkräfte zu gewinnen: für ein flexibel arbeitendes Zusatz-Team als Ergänzung zur Stammbelegschaft, um Personalausfälle kurz-, mittel- und langfristig abzufedern.
Bisher gingen Personalausfälle hier zu Lasten von festen Teams dort
Bisher wurden Personalausfälle – etwa aufgrund vieler Krankheitsfälle oder wegen Urlaubs – durch Umschichtungen aus festen Teams kompensiert – und zu deren Lasten. Künftig sollen die durch die besonderen Arbeitsbedingungen neu- oder wiedergewonnenen Arbeitskräfte des zusätzlich existierenden Flex-Teams disee Lücken füllen – aber unter zeitgemäßeren Konditionen. Die Uniklinik Würzburg verspricht sich von diesem Einsatz flexibler Arbeitskräfte mehr Dienstplan-Stabilität für alle – und damit eine positive Rückwirkung auf die Pflegenden aus der Stammbelegschaft und das Anliegen, sie an sich als Arbeitgeber zu binden.
Neues Konzept: „Eine revolutionäre Hinwendung zum Arbeitsmarkt“
„Das neue Konzept ist eine revolutionäre Hinwendung zum Arbeitsmarkt“, sagt Marcus Huppertz, Pflegedirektor am Universitätsklinikum Würzburg. „Weg vom ´…das UKW sucht…´ hin zum ´…Arbeitsmarkt, was hast du zu bieten…?`. Wir setzen auf nachhaltige Arbeitszufriedenheit über flexible Arbeitszeitangebote, die an Handlungssicherheit gekoppelt ist. Wir bieten nicht Stellen mit einer festen Stundenanzahl, sondern wir fragen: Wie viele Stunden möchtest du an welchen Tagen arbeiten? Und: Wo möchtest du arbeiten – in welchen Bereichen liegt deine Expertise, an welchem Arbeitsumfeld bist du interessiert?“
Wer nur donnerstags und nur sechs Stunden arbeiten will, kann das
Die zusätzlich eingestellten Mitarbeiter können im Flex4UKW-Team ihre Dienstpläne frei gestalten und bestimmen damit individuell und angepasst an ihre Bedürfnisse ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsumfang. Konkret bedeute das: „Wenn jemand zum Beispiel nur sechs Stunden am Donnerstagnachmittag arbeiten will oder kann, ist dies möglich. Für uns ist der Vorteil dann: Genau für diese Zeit haben wir jemanden, der einen Bedarf abdecken kann und der ansonsten nicht da wäre.“
Würzburg: Eines der ältesten Uniklinika im deutschsprachigen Raum
Um auf ihren neuen Ansatz bei der Rekrutierung von Pflegepersonal aufmerksam zu machen, hat das UKW eine überregionale Arbeitgebermarketing-Kampagne gestartet. Diese beinhaltet Online-Werbung unter anderem auf Social Media, City-Plakate, Buswerbung und Flyer-Aktionen.
Universität wie Medizin in Würzburg blicken auf eine lange Geschichte zurück. Neben Prag, Heidelberg, Wien, Köln und Erfurt gehört die Hauptstadt Unterfrankens zu den ältesten Universitätsstädten im deutschsprachigen Raum. Die Medizin in Würzburg hat eine über 400-jährige Geschichte und besitzt eines der ältesten Universitätsklinika in Deutschland überhaupt. Gegründet wurde es im Jahr 1581.