Über schwere COVID-19 Verläufe entscheidet vor allem das Immunsystem

Das Immunsystem spielt eine Schlüsselrolle, wie schwer die COVId-19 Erkrankung verlaufen wird.
Von Beginn an war klar: Für alte Menschen ist das Coronavirus Sars-CoV-2 besonders gefährlich. Das Immunsystem altert nämlich mit und kann auf Erreger nicht mehr so schnell reagieren wie das eines jungen Menschen. Von der Alterung sind sowohl das angeborene als auch das erworbene Immunsystem betroffen. Außerdem neigen ältere Personen zu stärkeren Entzündungsreaktionen. Und sie haben oft Begleiterkrankungen, die sie zusätzlich schwächen. Herzleiden, Diabetes, Bluthochdruck und so weiter. Menschen, die bisher an COVID-19 gestorben sind, sind im Durchschnitt 81 Jahre alt.
Immunsystem so verschieden wie der Mensch
Dennoch kann es auch bei jungen und gesunden Menschen zu schweren Krankheitsverläufen im Rahmen einer Coronavirus-Infektion kommen. Eine eindeutige Erklärung dafür gibt es noch nicht. Jedoch scheinen genetische Faktoren eine große Rolle zu spielen. Fakt ist: Das Immunsystem unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und ist so individuell wie der Charakter. Deshalb lässt sich schwer vorhersagen, bei wem COVID-19 lebensbedrohlich wird.
Üblicherweise läuft eine Infektion mit dem Coronavirus bei allen Menschen erst einmal recht harmlos ab. Im Gegensatz zur Grippe werden wir nicht schlagartig krank, sondern allmählich. Trockener Husten, Fieber, Gliederschmerzen stellen sich ein und zeigen, dass das Immunsystem aktiv geworden ist.
In der zweiten Woche kann es zur Lungenentzündung kommen
Doch nach etwa einer Woche werden die entscheidenden Weichen gestellt, ob die körpereigne Abwehr mit den Erregern fertig wird, so lange sie noch im Rachen sitzen, oder ob sich die Infektion bis in die Lunge ausbreitet. In dieser Phase entscheidet also das Immunsystem, ob wir gesund werden, oder schwer krank.
In der Regel kommt es erst in der zweiten Woche zu einer sogenannten atypischen, das heißt einer viral bedingten, Lungenentzündung. Zu diesem Zeitpunkt sind COVID-19 Tests oft schon nicht mehr zuverlässig, da im Rachenabstrich kaum noch Viren nachweisbar sind. Das ist ein großes Problem bei der Diagnostik dieser Erkrankung. Mediziner berichten von Patienten mit negativen Testergebnissen, bei denen aber CT-Aufnahmen die COVID-19 typischen weißen Herde in der Lunge zeigen. Darum ist das Lungen-CT inzwischen zum zweiten Diagnostik-Standbein geworden.
Die COVID-19-Lungenentzündung kann wiederum unterschiedlich verlaufen. Nur in sehr schweren Fällen müssen Patienten beatmet werden oder auf die Intensivstation. In Deutschland beträgt dieser Anteil fünf Prozent von allen Erkrankten.
Mediziner suchen nach Erklärungen für schwer Verläufe bei jungen Leuten
Es gibt mehrere Theorien, warum auch junge gesunde Menschen darunter sind:
Überreaktion des Immunsystems
Die wahrscheinlichste Erklärung ist eine Überreaktion des Immunsystems. Es werden im Übermaß Zytokine und Chemokine ausgeschüttet, die im Extremfall gesunde Zellen töten können. Diese Entgleisungen gibt es auch bei anderen Infektionskrankheiten, etwa der Grippe.
Infektionsverstärkende Antikörper
Eine andere Theorie geht von einem steigenden Risiko aus, wenn man bereits einmal Kontakt zu einem anderen Coronavirus hatte und der Körper Antiköper dagegen gebildet hat. Genau diese Antikörper könnten eine Infektion mit Sars-CoV-2 verstärken. Dieses Phänomen heißt „Infektionsverstärkenden Antikörper" (engl. Antibody Dependent Enhancement – ADE). Für COVID-19 wurde dieser Zusammenhang bislang aber noch nicht nachgewiesen.
Hohe Virendosis
Eine dritte Hypothese besagt, dass Betroffen möglicherweise eine hohe Virendosis eingeatmet haben, so dass gleich die Lunge befallen worden ist. Das wäre dann in etwa die Situation wie bei der Lungenkrankheit SARS, die mit 10 Prozent Sterblichkeit wesentlich gefährlicher war als COVID-19. Auch diese Hypothese ist noch nicht verifiziert, sondern lediglich eine mögliche Erklärung.
In diesen Artikel sind Aussagen der Virologen Alexader Kekulé (Uni Halle) und Christian Drosten (Charité) und des Immunologen Thomas Kamradt (Uni Jena) eingeflossen