Tiefe Hirnstimulation holt Patienten aus schwerer Depression heraus

Wenn Psychotherapie und Medikamente nichts bringen: Die Tiefe Hirnstimulation ist eine effektive Behandlung bei schweren Depressionen – Foto: ©Kaspars Grinvalds - stock.adobe.com
Menschen mit schwerster, behandlungsresistenter Depression können ofenbar nicht nur akut, sondern auch langfristig von einer Tiefen Hirnstimulation profitieren. Das berichten Forscher des Universitätsklinikums Freiburg und des Universitätsklinikums Bonn im Nature-Fachmagazin Neuropsychopharmacology.
Die Forscher hatten im Rahmen der FORESEE-II-Studie bei 16 schwerst betroffenen Patienten Elektroden in das Gehirn implantiert und somit einen Teil des Belohnungssystems stimuliert. Bei allen Patienten brachte die Behandlung mit dem Hirnschrittmacher eine deutliche Besserung der Beschwerden. Wie die Forscher berichten, halbierte sich im Schnitt der Schweregrad der Depression, und die Hälfte der Probanden lag sogar unterhalb des Werts, ab dem man von einer behandlungsbedürftigen Depression spricht. Die meisten Patienten reagierten demnach bereits in der ersten Woche auf die Stimulation und die positiven Effekte hielten während der einjährigen Studie an.
„Die Studie ist in Patientenzahl und erzielter Wirkung weltweit einmalig. Wir konnten erstmals in einer großen Studie zeigen, dass die Tiefe Hirnstimulation eine ernsthafte Option für Patienten mit schwerster Depression ist“, sagt Studienleiter Prof. Thomas Schläpfer, von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg.
Erfolg nach Dutzenden gescheiterter Therapien
Etwa 10 bis 30 Prozent aller Menschen mit wiederkehrender Depression sprechen nicht auf zugelassene Therapien an. Für einige dieser Menschen könnte die Tiefe Hirnstimulation eine Therapieoption sein. Die 16 Studienteilnehmer der FORSEE-II-Studie litten zwischen 8 und 22 Jahren an einer schwersten Depression und hatten zuvor im Schnitt 18 medikamentöse Therapien, 20 Elektrokrampftherapien und 70 Stunden Psychotherapie durchlitten – ohne Erfolg.
Prof. Dr. Volker A. Coenen, Erstautor der Studie und Neurochirurg am Universitätsklinikum Freiburg, implantierte mit seinem Team den Patienten die hauchdünnen Elektroden und stimulierten damit das mediale Vorderhirnbündel. Dieser Hirnbereich ist an der Regulation der Wahrnehmung von Freude und Belohnung beteiligt und damit auch für Motivation und Lebensqualität von Bedeutung.
Deutliche Linderung oft innerhalb von Tagen
Die Wirkung der Therapie bewerteten die Ärzte monatlich mit Hilfe der etablierten Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS). Bereits in der ersten Woche fiel der MADRS-Wert bei zehn Probanden deutlich ab und hielt sich auf niedrigem Niveau. Im Laufe der Studie reagierten alle Probanden auf die Stimulation. Acht der 16 Patienten hatten zu Studienende einen MADRS-Wert von unter 10 Punkten und galten damit als nicht depressiv.
„Unsere Patienten haben jahrelang mit schwersten Depressionen gekämpft und nichts hat Besserung gebracht. Die Tiefe Hirnstimulation führte bei den meisten innerhalb von Tagen zu einer deutlichen Linderung, die dann auch durchgehend anhielt. Andere Therapieformen wie Medikamente oder Psychotherapie verlieren oft im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Das absolut Sensationelle an den Daten ist, dass der Effekt der Therapie anhaltend zu sein scheint, die positiven Effekte halten über Jahre an“, sagt Prof. Schläpfer.„Wir wissen aus einer Pilotstudie, dass die Stimulation dieses Gehirnbereichs sehr vielversprechend ist und sind froh über die auch hier wieder in gleicher Form gezeigten deutlichen Effekte“, sagt Prof. Coenen.
Hoffnung auf europäische Zulassung des Verfahrens
Aufbauend auf den Ergebnissen der jetzt publizierten Studie haben die Freiburger Forscher bereits im Oktober 2018 mit ihrer dritten Studie (FORESEE-III) begonnen. Darin sollen 50 schwerstdepressive Patienten behandelt werden. 15 Patienten wurden bereits operiert. Psychiater Schläpfer: „Wenn die Folgestudie genauso erfolgreich ist wie die aktuelle, besteht große Hoffnung auf eine europäische Zulassung des Verfahrens."
Foto: © Kaspars Grinvalds - Fotolia.com