
Die Leitlinie Hypertonie empfiehlt Lebensstiländerungen. Diese Maßnahme kommt in der Praxis aber zu kurz
Medizinische Leitlinien sollen den neusten Stand der Wissenschaft wiedergeben und die Behandlungsqualität sichern. Sie werden von den Fachgesellschaften erarbeitet und idealerweise von den Ärzten umgesetzt. Aber wie sieht es in der Praxis tatsächlich aus? Die Deutsche Hochdruckliga hat das jetzt für die Leitlinie "Hypertonie" (Bluthochdruck) ermittelt. 700 Hausärzte aus Deutschland nahmen an der Befragung teil. Das Ergebnis: Die Mehrzahl der Ärzte akzeptiert die Leitlinienempfehlungen und setzt sie größtenteils in der täglichen Praxis um.
Nur in einem Punkt weichen die Ärzte von den wissenschaftlichen Empfehlungen ab. Die Leitlinie empfiehlt als erste Maßnahmen bei erhöhtem Blutdruck eine Lebensstiländerung – zum Beispiel mehr Bewegung und die Vermeidung von Übergewicht. Der Befragung zufolge schätzen die meisten Ärzte die Wirksamkeit von Lebensstiländerungen aber als gering ein. Folglich wird diese Maßnahme in den Hausarztpraxen nicht konsequent umgesetzt bzw. den Patienten kaum empfohlen.
Es hapert bei den Lebensstiländerungen
Die Autoren der Studie mutmaßen, dass Wissenslücken unter Ärzten das Abweichen begründen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga vermutet noch einen anderen Grund. Aufklärungsarbeit kostet Zeit, die nicht vergütet wird. „Sprechende Medizin wird bei uns in Deutschland nicht adäquat honoriert, dabei ist die Beratung der Patienten gerade im Bereich der Bluthochdrucktherapie von höchster Wichtigkeit“, sagt Prof. Ulrich Wenzel. Nur wenn die Betroffenen regelmäßig vom Arzt erinnert werden, wie wichtig eine Lebensstilumstellung ist, und praktische Hilfestellungen erhalten, könne sie gelingen“, so der Hochdruckspezialist. „Hier sollten von den Kostenträgern die Weichen für eine sinnvolle Incentive-Setzung gestellt werden!“
Im Tablettenverschreiben sind Hausärzte gut
Leitliniengemäß handeln die Ärzte dagegen beim Verschreiben von Tabletten gegen Bluthochdruck. Eine medikamentöse Therapie wird nach etwa zwei bis sechs Monaten empfohlen, wenn der Bluthochdruck trotz Lebensstilumstellung weiter bestehen bleibt. Die Entscheidung, ob mit einer Mono- oder Kombinationstherapie begonnen wird, machten die Befragten von den Blutdruckwerten und dem Risikoprofil des Patienten abhängig.
Gut ein Drittel aller Ärztinnen und Ärzte verschrieb eine Kombinationstherapie bei Werten über 160/100 mm Hg, wenn der Betroffene keine weiteren Risikofaktoren aufwies. Kamen welche dazu, entschieden sich über 85 Prozent für eine Kombinationstherapie.
Fixdosiskombination noch zu selten verordnet
Allerdings verordneten nur 16 Prozent der Befragten gleich zu Beginn der Kombinationstherapie eine Fixdosiskombination – also mehrere Wirkstoff in einer Tablette. Auch hier ist laut Hochdruckliga noch Nachholbedarf. Präparate mit einer Mehrfachkombination seien oft etwas teurer als die Einzelwirkstoffe, allerdings sind die preislichen Unterschiede meist marginal. „Ohnehin ist hier der Blick auf den Preis kurzsichtig, denn es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Therapietreue mit der Anzahl der Tabletten, die eingenommen werden müssen, abnimmt“, betont Wenzel. Werde von vornherein ein Präparat mit einer Mehrfachkombination verschrieben, könne das die Zahl der Patienten, die eine erfolgreiche und anhaltende Blutdrucksenkung erreichen, deutlich erhöhen. „Kardiovaskuläre Folgerisiken werden so vermieden“, so der Experte.
Im Vergleich zu einer Befragung fünf Jahre zuvor halten sich heute mehr Ärzte an die Leitlinien. Laut Hochdruckliga ist das „eine erfreuliche Entwicklung.“
Die Ergebnisse der Studie “Management of arterial hypertension: Transfer from clinical guidelines into daily practice – Results of a survey in German practitioners offices! wurden kürzlich im „Journal of Education and Health Promotion“ veröffentlicht.