Sepsis in der ARD-Serie Charité: Sepsis-Stiftung hält Darstellung für realistisch

Viele Menschen kennen die Symptome einer Sepsis nicht. Dabei könnten durch Früherkennung viele Leben gerettet und schwerwiegende Folgen verhinert werden. – Foto: ©Coloures-Pic - stock.adobe.com
Die dritte Staffel der ARD-Serie Charité zeigt das Leben und Wirken von Ärzten und Patienten an der Charité in den 1960er Jahren. Heute Abend wird eine Folge mit dem Titel „Sepsis“ ausgestrahlt. Da durch die COVID-19-Pandemie auch von einem Anstieg der Sepsiszahlen in Deutschland auszugehen ist, erscheint das Thema heute aktueller denn je, berichtet die Sepsis-Stiftung. Sie hofft, dass durch die Ausstrahlung das nach wie vor kaum bekannte Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dazu hat sie ein Gespräch mit ihrem Vorsitzenden, Prof. Dr. med. Konrad Reinhart, veröffentlicht.
Herr Professor Reinhart, die in der dritten Staffel der Serie Charité gezeigten Ereignisse spielen in den 1960er Jahren. Könnten Sepsis-Erkrankungen heute noch so ähnlich verlaufen wie dort dargestellt?
Reinhart: Tatsächlich ist die Darstellung der Sepsis-Erkrankungen, ihrer Ursachen und ihres Verlaufs in der Serie sehr realistisch, auch wenn die Therapiemöglichkeiten heute viel besser sind. Was besonders deutlich wurde – und das ist heute nicht anders als damals – ist die Tatsache, dass es sich bei Sepsis immer um einen Notfall handelt. Das heißt, die Behandlung muss so schnell wie möglich einsetzen, um schwerwiegenden Folgen bzw. einen tödlichen Ausgang zu verhindern.
In der Folge wurde auch eine Neugeborenen-Sepsis gezeigt. Wie kann es dazu kommen?
Reinhart: Häufig ist eine Infektion mit B-Streptokokken die Ursache – zum Beispiel, wenn die Mutter, wie auch in der Serie dargestellt, eine Harnwegsinfektion hatte. Aber auch Infektionen mit anderen Erregern können zu einer Sepsis bei Neugeborenen führen. Besonders gefährdet sind Frühgeborene, da ihr Immunsystem noch nicht ausgereift ist. Weltweit erkranken jährlich drei Millionen Neugeborene an einer Sepsis, etwa 500.000 versterben daran. Aber auch in Deutschland gibt es ungefähr 7.100 Fälle neonataler Sepsis pro Jahr, vier Prozent dieser Neugeborenen versterben. Schnelles Erkennen und Behandeln erhöhen auch hier die Überlebenschancen.
Auf welche Symptome sollten Eltern denn achten?
Reinhart: Typische Symptome sind Fieber oder Untertemperatur, schwere, schnelle Atmung, Durchfall oder Erbrechen, verlangsamte Reaktionen, Lethargie, Schwierigkeiten beim Saugen oder Krampfanfälle.
Auch zwei Sepsis-Erkrankungen bei Erwachsenen wurden dargestellt, einmal in Folge einer Schnittwunde und einmal durch eine verschleppte Lungenentzündung. Sind das typische Fälle?
Reinhart: Absolut – wobei die Lungenentzündung die häufigste Ursache für eine Sepsis ist. Durch die COVID-19-Pandemie steigen diese Zahlen zurzeit sogar noch an. Auch Infektionen des Harnwegstrakts und im Bauchraum lösen häufig eine Sepsis aus. Wundinfektionen, beispielsweise durch eine Schnittverletzung, sind seltener die Ursache, aber auch das kommt vor.
Was sind die Symptome einer Sepsis bei Erwachsenen und was sollten Betroffene tun?
Reinhart: Eine Sepsis bei Erwachsenen zeigt sich zunächst durch eine Mattheit. Dinge, die einem sonst ganz leichtfallen, werden plötzlich extrem anstrengend – manchmal binnen sehr weniger Stunden. Wenn das passiert, sollte man sich fragen: Habe ich mich in den letzten Tagen verletzt, hatte ich eine Infektion oder wurde ich vor kurzem operiert? Ist diese Frage zu bejahen und kommen weitere Symptome wie Fieber, schnelle Atmung, eine plötzlich auftretende Verwirrung, Schüttelfrost oder fleckige Haut an Armen und Beinen dazu, dann zögern Sie nicht: Konsultieren Sie sofort Ihren Hausarzt oder – falls das nicht möglich ist oder es Ihnen schon zu schlecht geht – rufen Sie einen Notarzt oder gehen Sie in die Notaufnahme eines Krankenhauses! Bei Sepsis zählt jede Minute!
In der Serie wird das Antibiotikum Penicillin gegen Sepsis gegeben. Wie sieht die Behandlung heute aus?
Reinhart: Bei der Behandlung der Sepsis steht immer die Beseitigung der auslösenden Infektion im Vordergrund. Bei bakteriellen Infektionen erfolgt dies durch Antibiotika, für viele virale Infektionen wie Grippe, COVID-19 und Ebola gibt es noch keine Substanzen, die die Vermehrung des Virus verhindern. Vor der Antibiotikagabe ist es wichtig, eine Erregerprobe zu entnehmen, um das richtige Mittel bestimmen zu können. Danach muss dann so schnell wie möglich ein breit wirksames Antibiotikum gegeben werden, das nach der Erregerbestimmung und der Antibiotikatestung gegebenenfalls angepasst wird.
Wie kann den Patienten sonst noch geholfen werden?
Reinhart: Häufig braucht es zusätzlich noch eine Unterstützung der ausgefallenen Organsysteme durch intensivmedizinische Maßnahmen. Man muss sagen, dass wir in der Diagnostik und Therapie der Sepsis schon recht weit gekommen sind und immer weitere Fortschritte machen. Wo wir jedoch stagnieren, das ist in der Aufklärung und Früherkennung – und zwar nicht nur bei der Allgemeinbevölkerung, sondern zum Teil auch beim medizinischen Personal. Andere Länder sind uns da weit voraus und konnten ihre Zahlen der durch Sepsis bedingten Todesfälle durch Aufklärungskampagnen stark reduzieren. Hier haben wir noch viel aufzuholen.