Pflegende Angehörige: Unternehmen bieten wenig Unterstützung

Beruf und Pflege eines Angehörigen zu vereinbaren, bringt viele Arbeitnehmer an die Grenzen der Belastbarkeit – Foto: ©Ocskay Bence - stock.adobe.com
Immer mehr Menschen pflegen ihre Angehörigen zu Hause – und das oft neben dem Beruf. Doch Pflege und Erwerbstätigkeit zu vereinbaren, bringt viele Betroffene an den Rand ihrer Kräfte. Nicht selten müssen sie ihren Beruf sogar aufgeben. Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) hat nun Personalverantwortliche in mehr als 400 Unternehmen ab einer Größe von 26 Mitarbeitern dazu befragt, was sie für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege bei ihren Mitarbeitern tun. Das Ergebnis: 58 Prozent der befragten Unternehmen machen keine betriebsinternen Angebote, um pflegende Mitarbeiter zu entlasten. Die gezielte Unterstützung von Angestellten, die einen Angehörigen mit Demenz pflegen, spielt sogar für 70 Prozent der Firmen keine wichtige Rolle.
Unterstützung für pflegende Angehörige immer wichtiger
Schätzungen zufolge pflegen zurzeit etwa 2,6 Millionen Erwerbstätige zu Hause einen Angehörigen - mit steigender Tendenz. Die Möglichkeit, Beruf und Pflege gut miteinander vereinbaren zu können, wird also immer wichtiger. Doch viele Unternehmen haben sich mit diesem Thema überhaupt noch nicht befasst oder halten Maßnahmen zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen für zu teuer.
Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP, erklärt dazu: „Als Gesellschaft sind wir dringend auf die Familienarbeit der pflegenden Angehörigen angewiesen, die für diese häufig sehr belastend ist. Gleichzeitig können wir nicht auf ihre Arbeitskraft in der Wirtschaft verzichten. Gute Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist also ein Gebot der Stunde. Darum sind auch die Unternehmen in der Verantwortung, ihre Mitarbeiter bei der Bewältigung der Pflege zu unterstützen.“
Unternehmen beklagen mangelnde Informationen
Häufig ist es offenbar auch einfach mangelndes Wissen, das die Personalverantwortlichen daran hindert, Hilfsangebote zu planen. So fehlen aus Sicht von 62 Prozent der Befragten Informationen, welche Mitarbeiter tatsächlich Unterstützungsbedarf in der Pflege von Angehörigen haben. 63 Prozent vermissen Kenntnisse, welche Angebote für Betroffene konkret hilfreich wären. Ralf Suhr: „Es ist wichtig, dass Unternehmen ihre Führungskräfte für das Thema Pflege sensibilisieren und eine pflegefreundliche Organisationskultur schaffen. Dazu gehört zum Beispiel, Mitarbeiter als Lotsen zu schulen. Diese können einerseits auftretende Bedarfe weitergeben und andererseits Kollegen über Unterstützungsangebote informieren.“
Regionale Netzwerke könnten pflegende Angehörige unterstützen
Besonders stark belastet sind Mitarbeiter, die zu Hause einen dementen Angehörigen pflegen. Auch dieses Thema findet in Unternehmen bisher kaum Beachtung. Da demente Personen jedoch meist rund um die Uhr Versorgung benötigen, wären hier spezielle betriebsinterne Angebote von besonderer Bedeutung. So könnten sich beispielsweise Firmen in regionalen Netzwerken zusammenschließen und gemeinsam Kooperationen mit Tagespflegeeinrichtungen für Angehörige von Mitarbeitern schaffen, so das ZQP.
Erst kürzlich hat das Zentrum ein neues Internetportal „Prävention in der Pflege“ eröffnet, auf dem Angehörige unter anderem Tipps finden, welche Unterstützungsmöglichkeiten es für sie gibt. Suhr erklärt: „Viele pflegende Angehörige sind erschöpft und überlastet. Aber Pflege darf nicht krank machen. Deshalb sind Gesundheitsförderung und Prävention für die Helfer ebenso bedeutsam wie für Pflegebedürftige.“
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