
Überlastet und allein gelassen: Pflegende Angehörige brauchen mehr Unterstützung
Eltern werden gebrechlich, Ehepartner werden plötzlich zum Pflegefall: Die Pflege eines Angehörigen kann an physische und psychische Grenzen gehen. Eine Erhebung der Universität Witten/Herdecke zeigt nun, wie belastet Pflegende Angehörige in Deutschland sind. Von über 1.400 Befragten berichteten zwei Drittel von einer hohen Gesamtbelastung. Etwa die Hälfte leidet darunter körperlich, mehr als 70 Prozent der Befragten sind stark bis sehr stark emotional belastet.
Die Studie „Was pflegende Angehörige wirklich brauchen“ zeigt außerdem, dass sich Deutschlands größter Pflegedienst ziemlich allein gelassen fühlen. „Einige Menschen haben nicht nur den Fragebogen ausgefüllt, sondern uns auch angerufen und erzählt, wie allein gelassen sie sich mit ihren Sorgen und Anliegen fühlen“ berichtet die Studienleiterin Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko von der Universität Witten/Herdecke.
Informationslücken
Den Auswertungen zufolge sind viele Informations- und Beratungsangebote sowohl zur Pflegesituation wie auch zu eigenen Bedürfnissen nur teilweise bekannt. „Besonders wenig bekannt und vermutlich deswegen auch kaum genutzt sind Informations- und Beratungsangebote zu den eigenen Bedürfnissen der pflegenden Angehörigen“ ordnet Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko die Ergebnisse ein, „hier sehen wir Handlungsbedarf.“
Handlungsempfehlungen für Kommunen
Mit einer Clusteranalyse wollen die Forscherinnen nun pflegende Angehörige in unterschiedliche Gruppen (Segmente) einteilen, damit bedarfsgerechte Unterstützungsangebote der einzelnen Zielgruppen entwickelt werden können. Auch Handlungsempfehlungen insbesondere für Kreise und Kommunen sollen bis Ende des Jahres erarbeitet werden.
Das Projekt „Zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige“ (ZipA) wird vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und den Pflegekassen gefördert. Befragt wurden volljährige Personen, die einen Familienangehörigen, Freund oder Nachbarn regelmäßig pflegen oder betreuen.
Pflegende Angehörige klagen über Schlafmangel
Die aktuelle Studie stützt andere Untersuchungen, die ebenfalls die hohe Belastung pflegender Angehöriger festgestellt haben. Der Barmer Pflegereport 2018 zeigt etwa, dass fast 40 Prozent an Schlafmangel leiden und sich 30 Prozent in ihrer Rolle als Pflegende gefangen fühlen. Pflegende Angehörige sind danach auch vergleichsweise oft krank. So leiden 54,9 Prozent unter Rückenbeschwerden und 48,7 Prozent unter psychischen Störungen. Bei Personen, die nicht pflegen, trifft dies nur auf 51,3 Prozent und 42,5 Prozent zu.
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