Personaluntergrenzen: Intensiv- und Notfallmediziner kritisieren neue Verordnung

Nach Ansicht von Notfallmedizinern beruhen die Zahlen für die geplanten Personaluntergrenzen auf falschen Vorausssetzungen – Foto: ©sudok1 - stock.adobe.com
Prinzipiell begrüßt die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) die Initiative der Bundesregierung, die Situation der Pflege in den deutschen Krankenhäusern verbessern zu wollen. Sie kritisiert allerdings die geplante Festsetzung der Werte: „Die ab Januar 2019 geltenden neuen Richtwerte des Bundesministeriums für Gesundheit gehen in die ganz falsche Richtung“, erklärt DIVI-Präsdient Professor Stefan Schwab. „Die in der überarbeiteten Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung festgelegten Werte sind ein unerwünschtes Minimum“, so die DIVI in einer aktuellen Mitteilung. Demnach soll zukünftig beispielsweise in der Nachtschicht eine Intensivpflegekraft gleich 3,5 Patienten betreuen. Die Vereinigung fordert für alle Schichten maximal zwei Patienten für einen Intensivpflegenden. „Wir lehnen die neuen Richtwerte entschieden ab und fordern die Politik auf, sich an unseren Vorgaben aus der Praxis zu orientieren“, so Schwab.
Kritik am Personalpflegequotient
Ab dem 1. Januar 2019 gelten in der Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie neue Personaluntergrenzen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat dazu Maßnahmen zur Sicherung der Personalausstattung für pflegeintensive Krankenhausbereiche formuliert, die in die aktuelle Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) eingeflossen sind.
Zudem soll ab 2020 begleitend der sogenannte „Ganzhausansatz“ eingeführt werden, mit dem das Verhältnis des eingesetzten Pflegepersonals zum Pflegeaufwand des Krankenhauses ermittelt werden soll. Dieser neue Personalpflegequotient soll in Zukunft darüber Aufschluss geben können, ob ein Krankenhaus ausreichend Personal einsetzt.
Neue Richtwerte orientieren sich an niedrigster Personalausstattung
Das Problem: Die neuen Richtwerte sind über den sogenannten Quartilansatz festgelegt worden. Das heißt, sie orientieren sich an dem Grenzwert von 25 Prozent der Häuser mit der schlechtesten Personalausstattung. „75 Prozent der Häuser liegen momentan über diesem Wert und es kann jetzt leicht dazu kommen, dass eine einzelne Pflegekraft nach dem neuen Entwurf nun noch mehr Patienten betreuen muss – darunter leidet die Versorgung und es werden mehr Pflegende der Intensivstation den Rücken kehren“, sagt Thomas van den Hooven, Präsidiumsmitglied der DIVI sowie Pflegedirektor am Universitätsklinikum Münster.
Sorge um Verschlechterung der Pflegequalität
Die Debatte über eine „Überbesetzung“ über die Vorgaben der Verordnung habe in vielen Häusern schon begonnen und werde das Gegenteil von dem bewirken, was das Gesundheitsministerium eigentlich anstrebt, erklären die Kritiker. „Die neuen Vorgaben des Bundesministeriums für Gesundheit werden in der Praxismit hoher Wahrscheinlichkeit zu Personal- und Patientenverschiebungen führen. Dies verschlechtert die Qualität der Versorgung und führt zu einer weiter steigenden Berufsunzufriedenheit der Pflegenden im Intensivbereich“, so van den Hooven.
In der aktuellen Version der PpUGV wurde eine Änderung der Personaluntergrenzen für die Intensivmedizin vorgenommen. In der Tagschicht gilt ab 1. Januar 2019 vorerst ein Personalschlüssel von 1:2,5 (Pflegekraft pro Patienten) im Vergleich zum bisherigen Wert von 1:2. In der Nachtschicht wurde der Personalbedarf von 1:3 auf 1:3,5 abgesenkt. Ab dem 1. Januar 2021 ändern sich diese Werte erneut auf 1:2 für die Tag- und 1:3 für die Nachtschicht. Diese Änderung ist aus Sicht der DIVI eine Entwicklung in die falsche Richtung.
Realistische Konzepte fehlen
„Zudem fehlt es an einem Leistungserfassungsinstrument und einem daraus abgeleiteten Personalbedarfsbemessungstool“, kritisiert van den Hooven. Dies könnte seiner Ansicht nach für die Intensivstationen das System INPULS sein. „Solange solche Instrumente aber weder vorgeschrieben noch implementiert sind, werden alle Intensivstationen undifferenziert betrachtet.“ Was nach Ansicht der DIVI außerdem bislang bei allen erkennbaren Bemühungen um die Pflege fehlt, sind realistische und rasch umsetzbare Konzepte, wie man den bereits jetzt schon gravierenden Fachkräftemangel beheben will - wie beispielsweise bessere Bezahlung, verbesserte Aus- und Weiterbildung, familienfreundliche und planungssichere Arbeitszeiten.
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