Neues Verfahren erleichtert Diagnose seltener Erbkrankheiten
Menschen mit genetisch bedingten Krankheiten haben oft eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Weniger als die Hälfte erhält bislang eine zufrieden stellende Diagnose. Das könnte sich jetzt ändern. Wissenschaftler der Charité konnten gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik ein neues Testverfahren entwickeln, das die Aussicht auf eine sichere Diagnose deutlich erhöht. Nach Charité-Informationen soll das Verfahren ab sofort auch für andere medizinische Einrichtungen frei zugänglich sein - eine entsprechende technische Ausstattung vorausgesetzt.
Auch wenn es nicht für jede Erbkrankheit eine Behandlungsmöglichkeit gebe, sei die genaue Diagnose von unschätzbarem Wert, meint Prof. Dr. Peter Robinson vom Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité. „Das gibt immerhin die Gewissheit, dass die Erkrankung nicht selbst verschuldet ist.“
Diagnose auf Erbkrankheiten: Kombination aus Gen- und Symptom-Analysen
Das Besondere an dem Verfahren namens PhenIX (Phenotypic Interpretation of eXomes) ist, dass es erstmals eine genetische Analyse mit den Symptomen des Patienten kombiniert. Bisher wurde bei Verdacht auf eine Erbkrankheit lediglich eine genetische Analyse durchgeführt, die aber oft für eine genaue Diagnose nicht ausreicht. »Durch die Kombination von klinischem Befund und genetischer Analyse ist uns ein großer Schritt gelungen“, meint Robinson, der PhenIX mit entwickelt hat. Und für den behandelnden Arzt bedeute das neue Verfahren gerade mal zwei Stunden Arbeit.
Um unter Millionen von genetischen Abweichungen, die jeder Mensch in sich trägt, die eine ausschlaggebende zu finden, werden bei dem Verfahren zunächst etwa 3.000 Gene analysiert, die dafür bekannt sind, Krankheiten zu verursachen. In der Regel bleiben dann etwa einige hundert genetische Auffälligkeiten übrig – also Kandidaten, die als Auslöser für die Krankheit in Frage kommen können. Im nächsten Schritt sucht der Arzt dann in einer an der Charité entwickelten Datenbank nach den Symptomen des Patienten. Durch den Abgleich beider Analyseverfahren bleibt eine Kandidatenliste von meist nicht mehr als 20 möglichen Ursachen für die Erkrankung, inklusive Rangfolge nach Wahrscheinlichkeit. „Nun ist es nicht mehr schwer, diese der Reihe nach durchzugehen und zu testen“, so Genetiker Robinson weiter.
PhenIX erhöht die Chance auf Diagnostik - jeder vierte Patient profitiert
In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science Translational Medicine stellen die Wissenschaftler das Verfahren und eine vorausgegangene Pilotstudie im Detail vor. Die Pilotstudie hatte gezeigt, dass PhenIX hundertprozentig richtige Diagnosen bei jenen Patienten stellt, deren genetische Erkrankungen bereits bekannt waren. In allen anderen Fällen konnte etwas mehr als jeder vierte Patient mit Hilfe des Verfahrens eine (jahre-) lang ersehnte Diagnose erhalten.
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