
Das Zentralnervensystem des Menschen aus Gehirn und Rückenmark wird von einem leicht unter Druck stehenden Haut-Flüssigkeits-Polster vor Stößen geschützt. – Foto: AdobeStock/Axel Kock
Unser Gehirn und unser Rückenmark werden von einer klaren, farblosen Flüssigkeit umschlossen und gegen Stöße geschützt, dem „Liquor“ (lat. „Flüssigkeit“). Bei manchen Menschen kann es passieren, dass die Schutzhaut dieses Liquorraums durch einen Knochendorn in kaum sichtbarer Größe perforiert wird. Die Folge: Durch dieses Mini-Loch fließt Gehirnwasser aus diesem geschlossenen System ins Umgebungsgewebe ab. Weil die flüssigkeitsführenden Räume des Zentralnervensystems aber miteinander verbunden sind, führt dieser Sog-Effekt an der obersten Stelle im System zu einem Unterdruck – im Kopf. Die Folge sind extreme Kopfschmerzen im Stehen.
Unterdruck: „Gehirn liegt auf dem Trockenen“
Das Krankheitsbild heißt in der Fachsprache „Liquorverlust-Syndrom“ und war noch vor wenigen Jahren nur wenigen Experten bekannt. „Durch den Liquorverlust entsteht ein Unterdruck und das Gehirn liegt buchstäblich auf dem Trockenen“, erklärt Jürgen Beck, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. Auch Ohrgeräusche, Lichtscheu, Übelkeit sowie Wahrnehmungsstörungen können auftreten. Dazu kommen unspezifische Beschwerden wie eine erhöhte Herzfrequenz, Konzentrationsstörungen und Schwindel. Legt sich der Patient hin, lassen die Symptome wieder nach.
Lage-Kopfschmerzen „extrem belastend“
„Solche Lage-Kopfschmerzen, auch als orthostatische Schmerzen bezeichnet, sind extrem belastend und können die Betroffenen im alltäglichen Leben sehr stark einschränken“, sagt Neurochirurg Jürgen Beck. „Umso erfreulicher ist, dass wir die Betroffenen oft mit einer Operation heilen können.“ Das Universitätsklinikum Freiburg ist nach eigenen Angaben auf diese Art von Eingriff spezialisiert und nimmt bei der Zahl der operierten Patienten weltweit einen Spitzenplatz ein.
Liquorverlust-Syndrom: So läuft die Operation ab
Um die Beschwerden zu heilen, muss zunächst der millimetergroße knöcherne Dornfortsatz der Wirbelsäule gefunden und entfernt werden. Im Anschluss wird das Leck in der Haut des Rückenmarks geschlossen, das oft nicht größer ist als ein Stecknadelkopf. Das kann mit einer Naht geschehen oder indem eine winzige Menge Eigenblut an die Stelle eingespritzt wird. Das Blut verklumpt und schließt das Loch. „Heute können wir die Operation ausschließlich minimalinvasiv und zum Teil sogar per Katheter über die Blutgefäße durchführen“, sagt Neurochirurg Beck. Dadurch seien die Nebenwirkungen geringer und der Heilungsprozess verlaufe schneller.