Nach Gelenkersatz: Endoprothesen setzen doch Metalle wie Titan frei

Forscher bestätigen Befürchtung: Künstlicher Gelenkersatz sondert Metalle in den Knochen ab, etwa Titan – Foto: ©peterschreiber.media - stock.adobe.com
Nirgendwo sonst auf der Welt werden so viele künstliche Hüften und Kniegelenke eingesetzt wie in Deutschland. Das wird oft kritisiert, weil Kliniken damit viel Geld verdienen. Dabei können Endoptrothesen Patienten mit chronisch degenerativen Gelenkerkrankungen eine schmerzfreie Beweglichkeit ermöglichen und so ihre Lebensqualität deutlich verbessern.
Abrieb bei mechanischer Belastung führt zu Knochenabbau
Doch auch mögliche Nebenwirkungen stehen in der Kritik. Wenn das künstliche Gelenk nicht stabil ins Knochengewebe integriert ist, kann es an den Reibungsflächen zu einem Abrieb von Metallen kommen. Diese Metallrückstände können zu einer Rückbildung des umliegenden Knochens, der sogenannten Osteolyse führen, wodurch sich das Implantat frühzeitig lockert.
Nicht klar war bislang, ob auch andere Teile der Prothese möglicherweise Metalle freisetzen, die nicht direkt am mechanischen Abrieb beteiligt sind. Forscher vom Julius-Wolff-Institut an der Charité konnten diese Befürchtung nun bestätigen: Auch unabhängig von mechanischer Belastung kann es – anders als bisher angenommen – aus verschiedenen Prothesenteilen zu einer ständigen Freisetzung von Metallen kommen. In Knochen und Knochenmark von 14 Patienten fanden die Forscher entsprechende metallische Abbauprodukte wie Kobalt, Chrom oder Titan.
Titan im Knochenmark gefunden
„Mit unserer Arbeit zeigen wir zum ersten Mal, dass sowohl partikuläre als auch gelöste Metalle, die aus Endoprothesen stammen, im umliegenden Knochen und im Knochenmark in überphysiologischen Konzentrationen vorhanden sind“, sagt Dr. Sven Geißler vom Julius-Wolff-Institut. „Die kollagenhaltige Schicht, die nach der Operation das Implantat verkapselt, isoliert dieses somit nicht in dem Ausmaß vom menschlichen Gewebe wie bisher angenommen.“
Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler winzige Knochenproben von 14 Patienten, bei denen ein Hüft- oder Kniegelenk ersetzt werden musste, mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse. Diese Methode erlaubt es, die Konzentration, Verteilung, Lokalisierung und Anreicherung von metallischen Abbauprodukten in Knochen und im Knochenmark zu bestimmen. Dabei kam eine besondere Röntgenstrahlung des Teilchenbeschleunigers der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) im französischen Grenoble zum Einsatz. Diese ermöglichte eine weltweit einmalige Ortsauflösung von bis zu 30 Nanometern.
Gesundheitliche Folgen noch unklar
„Unsere Studie leistet einen wesentlichen Betrag zur Verbesserung der Risiko-Nutzen-Bewertung von Medizinprodukten und zeigt, dass diese nicht nur Biokompatibilitätstests von Ausgangsmaterialien, sondern auch von deren späteren Verschleiß- und Korrosionsprodukten umfassen sollte“, meint Sven Geißler.
Noch ist allerdings nicht ganz klar, was es für die Patienten bedeutet, wenn sich Titan- und andere Metallrückstände in Knochen und Knochenmark ablagern. Diese klinisch hoch relevante Frage wollen die Forscher nun in einem nächsten Schritt untersuchen.
Außerdem wollen sie bessere Methoden entwickeln, um Implantatmaterialien in Zellen zu testen, bevor sie in den menschlichen Körper eingebaut werden.
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