mRNA-Impfstoff gegen Corona noch in diesem Jahr möglich

Curevac Aufsichtsratsmitglied Dr. Friedrich von Bohlen glaubt fest an einen Impfstoff gegen das Coronavirus, und zwar schon in 2020
Die ganze Welt wartet auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Und auch die deutsche Bundesregierung fährt auf Zeit, weil eine natürliche Durchimmunisierung der Bevölkerung viel zu risikoreich wäre. Grundsätzlich ist zwar jede Arzneistoffentwicklung mit vielen Fragezeichen behaftet, doch Experten sagen, dass die biologischen Hürden beim neuartigen Coronavirus SARS COV-2 nicht so hoch sind wie bei anderen Erregern, etwa HIV oder Tuberkulose.
Die Frage ist also weniger ob, sondern wann es den ersten Corona-Impfstoff geben wird. Hinzukommt, dass seit Beginn der Pandemie weltweit mit Hochdruck an verschiedenen Ansätzen gearbeitet wird – den klassischen mit Lebend- und Totimpfstoffen sowie mit neuen DNA- und RNA-Technologien. Weltweit sind derzeit rund 50 Impfstoffprojekte bei der WHO gemeldet, sechs klinische Studien laufen bereits, davon eine in Deutschland.
Vielversprechender Impfstoffkandidat aus Tübingen
Kurz vor der klinischen Erprobung steht auch der Corona-Impfstoffkandidat des Tübinger Biotechunternehmens Curevac. Das Unternehmen erforscht seit 20 Jahren therapeutische Ansätze auf mRNA-Basis – einem jungen vielversprechenden Forschungsfeld, das auch andere Unternehmen für die Entwicklung eines Coronaimpfstoffs nutzen.
Die messenger RNA ist ein Biomolekül, das die genetische Information der DNA aus dem Zellkern zum Bauplatz der Proteine transportiert. Dank dieser Information werden im Körper die entsprechenden Proteine gebaut.
In diesem konkreten Fall nutzt man die mRNA für den Bau eines bestimmten Oberflächenproteins des Coronavirus, das für den Menschen aber ungefährlich ist. Geht alles glatt, springt das Immunsystem darauf an – und der Mensch bildet Antikörper gegen das vermeintliche Virus.
Körper baut mit mRNA ein Oberflächenprotein des Coronavirus nach
„Mit der mRNA kann man gewünschte Proteine im Körper produzieren. Das heißt, wir verlagern die Produktion von Arzneimitteln oder Impfstoffen von externen Produktionsstätten in den Menschen hinein“, beschreibt Curevac-Aufsichtsratsmitglied Dr. Friedrich von Bohlen den molekularbiologischen Ansatz in unserem Podcast. Das sei sehr viel effizienter und auch kostengünstiger als die herkömmlichen Produktionsverfahren. Ein weiterer Vorteil: „Wir brauchen sehr, sehr wenig Material, um einen Impfschutz bereitzustellen.“
Von Bohlen rechnet damit, dass die erste klinische Impfstoffstudie im Frühsommer beginnen kann und im Herbst belastbare Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit vorliegen. „Meines Erachtens werden wir bis Ende des Jahres physikalisch einen Impfstoff zur Verfügung haben, der auch freigegeben werden könnte.“
Wie es dann weitergehe, hänge maßgeblich von den Behörden und dem politischen Druck ab, meint der Biochemiker und promovierte Neurobiologe. „Ich möchte keine falschen Erwartungen wecken.“
100 Millionen Impfstoffdosen in Tübingen stemmbar
Aber auch die benötigte Impfstoffdosis spielt eine Rolle für die schnelle Verfügbarkeit. Werden weniger als zehn Mikrogramm pro Impfung benötigt, was als wahrscheinlich gilt, sieht sich Curevac in der Lage, rund 100 Millionen Impfstoffdosen herzustellen. Deutschland könnte also relativ rasch versorgt werden. Gerade mal 10 Gramm Ausgangsmaterial in Form von mRNA würden dafür maximal benötigt. Und wenn die EU ihr Versprechen einlöst, GMP-4-Produktionsanlagen zu fördern, dann, so von Bohlen „wären wir in der Lage, eines Tages die ganze Welt zu bedienen.“
Dass bislang noch keine mRNA-Impfstoffe zugelassen worden sind, führt Biochemiker von Bohlen auf die langen Entwicklungszeiten zurück, die jeder neue Ansatz bis zur Marktreife braucht. Nach zwei Jahrzehnten Forschung könnte nun aber die Zeit für einen wirksamen und günstigen mRNA-Impfstoff gekommen sein.