Mit Elektrostimulation gegen Cluster-Kopfschmerzen

Cluster-Kopfschmerzen sind oft so heftig, dass konventionelle Therapieverfahren oft an ihre Grenzen stoßen. – Foto: AdobeStock/primipil
„Cluster-Kopfschmerzen“ haben mit den Kopfschmerzen, wie sie die meisten von uns kennen, wenig zu tun. Für Betroffene können sie die Hölle sein. Es sind Schmerzattacken, die sich Mitten im Gesicht und damit an einer der empfindlichsten Partien des Körpers abspielen, an Augen, Stirn und Schläfe. Als sei das nicht genug, treten sie auch nicht nur einmal auf. Nach schmerzfreien Zwischenzeiten kehren sie periodisch wieder – und dann noch gehäuft, daher auch ihr Name (engl. Cluster = Anhäufung): für vier bis zwölf Wochen, bis zu achtmal täglich, 15 bis 180 Minuten lang. Viele Patienten, die an dieser besonders heftigen Art von Kopfschmerz leiden, sind therapieresistent; konventionelle Medikamente schlagen bei ihnen nicht an. Oder sie vertragen diese Arzneien aufgrund starker Nebenwirkungen nicht.
„Okzipitalnerven-Stimulation“: Wie ein Herzschrittmacher
Auf eine „vielversprechende Behandlungsalternative“ weist jetzt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hin: die „Okzipitalnerven-Stimulation“ (ONS). Es ist eine Form der Elektrostimulation, die in ihrer Wirkung einem Herzschrittmacher ähnelt. Eine aktuelle Studie zu medikamentenresistentem chronischem Cluster-Kopfschmerz zeigt: Bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten konnte die Häufigkeit der Attacken mit diesem Therapieverfahren um mindestens 50 Prozent reduziert werden. „Fast alle, die an der Studie teilgenommen haben, würden die ONS anderen Betroffenen weiterempfehlen, ungefähr drei Viertel davon sogar besonders nachdrücklich“, heißt es in einer Mitteilung der DGN.
So funktioniert Elektrostimulation bei Cluster-Kopfschmerz
Bei der Okzipitalnerven-Stimulation wird den Neurologen zufolge ähnlich einem Herzschrittmacher ein kleiner elektrischer Impulsgeber unter die Haut implantiert, von dem aus dünne Elektroden zum Nacken, in Richtung der beiden Okzipitalnerven verlaufen. Die Stimulation löst Parästhesien aus (Kribbeln oder Taubheitsgefühl). Als Wirkmechanismus wird eine Modifikation der Schmerzsignale im Hirnstamm durch die elektrischen Signale angenommen.
Erstmalige Überprüfung in einer Langzeitstudie
Das ONS-Verfahren wurde jetzt nach Auskunft der Wissenschaftler erstmals an einer großen Gruppe von Patienten über einen längeren Zeitraum überprüft (2010 bis 2017). An der internationalen Phase-III-Studie nahmen spezialisierte Zentren aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Ungarn teil. Die Patienten waren im Mittel 44 Jahre alt und kannten diese gravierende Form von Kopfschmerzanfällen seit durchschnittlich sieben Jahren. Mindestens viermal in der Woche litten sie unter Attacken, auf mindestens drei vorbeugende Medikamente sprachen sie nicht an (oder sie vertrugen sie nicht).
50 Prozent weniger Attacken, Schmerzen erträglicher
Im Gesamtergebnis führte die Stimulation nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie „zu einer schnellen und anhaltenden Verringerung der Attackenhäufigkeit um durchschnittlich 50 Prozent“. Die Schmerzintensität nahm demnach um ein Drittel ab. Lag die wöchentliche Anfallsfrequenz zu Studienbeginn im Mittel noch bei 15,75, sank sie bis Woche 24 der Therapie auf 7,38 und damit um mehr als die Hälfte.
Nebenwirkungen der Elektrostimulation
Die Studie berichtet auch von „unerwünschten Ereignissen“, die bei der Elektrostimulationstherapie auftreten können. 13 Prozent der Probanden mussten deshalb kurzzeitig stationär behandelt werden. Zu den unerwünschten, für die Forscher aber nicht ungewöhnlichen Nebenwirkungen zählen demnach lokale Schmerzen, gestörte Wundheilung, Nackensteifigkeit und Probleme bei der Hardware des Stimulationsgeräts. In einer Befragung gaben dennoch über 90 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer an, sie würden die Therapie anderen Betroffenen gegenüber weiterempfehlen, heißt es bei der DGN.
Facharzt: Alternative, wenn Medikamente nicht wirken
Was sagen Fachärzte zu dieser Therapieform? „Das Verfahren stellt eine mögliche Alternative für Patientinnen und Patienten mit medikamentenresistentem Cluster-Kopfschmerz dar“, sagt Peter Berlit, Neurologe und Generalsekretär der DGN. „Dies ist auch unter dem Aspekt möglicher Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie relevant.“ Sein ausdrücklicher Rat: „Der Eingriff sollte aber nur in neurochirurgischen Kliniken erfolgen, die mit dieser Methode umfangreiche Erfahrung haben.“
Cluster-Kopfschmerz: Auch Cannabis-Präparate können helfen
Neben der Elektrostimulation kommt bei medikamentenresistentem Cluster-Kopfschmerz auch eine Behandlung mit medizinischem Cannabis infrage. Für chronisch Kranke, bei denen keine Medikamente (mehr) helfen, übernimmt die Gesetzliche Krankenversicherung die Kosten dafür bereits seit 2017.