Mehr Tote durch antibiotika-resistente Keime als durch Aids oder Malaria

Ein Übergebrauch von Antibiotika in der Massentierhaltung und auch in der Humanmedizin hat zur Folge, dass diese lebensrettenden Medikamente immer mehr an Wirkung einbüßen, indem Keime deren Wirkmechanismus überlisten. – Foto: AdobeStock/jarun011
Jedes Jahr sterben weltweit rund 1,27 Millionen Menschen direkt infolge einer Infektion mit antibiotika-resistenten Krankheitserregern. Darauf weist die Tierrechtsorganisation „PETA“ unter Berufung auf eine gerade in der Fachzeitschrift „Lancet“ erschienene Studie hin. Das seien mehr Todesfälle als durch Aids oder Malaria.
Im Zusammenhang mit einer antibiotika-resistenten bakteriellen Infektion waren der zitierten Studie zufolge allein im Jahr 2019 4,95 Millionen Todesfälle zu beklagen. Zum Vergleich: Infolge der Corona-Pandemie starben bisher etwa 5,5 Millionen Menschen – in den ersten zwei Pandemie-Jahren und damit in einem doppelt so langen Zeitraum.
Hühner- oder Putenhaltung: Antibiotika im Getränkewasser
In einer Mitteilung weist die Tierrechtsorganisation darauf hin, dass rund 70 Prozent aller pro Jahr verbrauchten Antibiotika in der Tiermast eingesetzt würden. Bettina Eick, Fachreferentin für Ernährung und Tiere in der Nahrungsmittelindustrie bei „Peta“, übt heftige Kritik am Medikamenteneinsatz bei der Fleischproduktion. „In der industriellen Tierwirtschaft kommen Antibiotika massenhaft präventiv zum Einsatz – und das nur, um fühlende Lebewesen unter krankmachenden Haltungsbedingungen so lange am Leben zu halten, bis ihnen im Schlachthaus die Kehlen aufgeschlitzt werden“, sagt die Fachreferentin. In der Hühner- oder Putenhaltung würden Antibiotika wie Colistin beispielsweise ins Getränkewasser gemischt. „Kein Wunder, dass zahlreiche Geflügelfleischprodukte aus dem Supermarkt mit antibiotika-resistenten Keimen belastet sind.“
Testkauf bei Discountern: Putenfleisch häufig keimbelastet
Erst im Sommer 2021 hatten Mitarbeiter der Deutschen Umwelthilfe 62 Testkäufe bei deutschen Discountern durchgeführt und das dort erworbene Putenfleisch ins Labor geschickt. Ergebnis der Analyse durch die Universität Greifswald: Jede dritte Putenfleischprobe von Lidl und jede vierte Probe von Aldi war mit antibiotika-resistenten Keimen belastet. Auf jeder vierten Lidl-Putenfleischprobe (26 Prozent) fand das Labor sogar besonders gesundheitsgefährliche Erreger, die gegen die für Menschen wichtigen Reserve-Antibiotika resistent sind. Diese kommen zum Einsatz, wenn Standard-Antibiotika nicht mehr helfen und Lebensgefahr besteht.
Tierrechtler fordern Abkehr von industrieller Tierhaltung
Die Tierwirtschaft befeuere ein Massensterben von Menschen durch antibiotika-resistente Keime, so die Tierrechtsorganisation weiter. Die könne in Zukunft „zu einem gewaltigen Problem“ werden, falls nicht umgehend gegengesteuert werde. „Peta“ fordert deshalb einen Strukturwandel in der Landwirtschaft – weg von der industriellen Tierhaltung hin zum veganen Ökolandbau. „Nur so können wir Klima, Umwelt und Tiere schützen und lebensrettende Antibiotika ihre Wirkung behalten", argumentiert die in Stuttgart ansässige Organisation weiter.
Antibiotika: Schon in der Humanmedizin ein heißes Thema
Die Verordnung von Antibiotika ist bereits in der Humanmedizin ein heißes Thema. Nach einem Lagebericht des „Wissenschaftlichen Instituts der AOK" (WIdO) verschreiben Ärzte auch für Menschen oft vorschnell Antibiotika und häufig auch sehr starke oder auch unspezifische, die quasi nach dem Schrotflintenprinzip wirken. So wurde im Kalenderjahr 2019 in jedem zweiten Fall (53 Prozent) von Ärzten ein Reserve-Antibiotikum verschrieben.
Tiermedizin: 670 Tonnen Antibiotika jährlich zugefüttert
In der Tiermedizin ist das Thema noch einmal heißer. In der Tierhaltung zur Produktion von Lebensmitteln werden derzeit laut WIdO jährlich mit 670 Tonnen zusätzlich noch einmal doppelt so viele Antibiotika eingesetzt wie bei der Heilung von Menschen (339 Tonnen). Der Grund für einen Medikamenten-Einsatz im Tonnen-Bereich liegt der Deutschen Umwelthilfe zufolge in der industriellen Massentierhaltung, wo sich große Mengen von Tieren in rasanter Geschwindigkeit gegenseitig anstecken könnten.