Mehr Ärzte sind besser als einer – aber nicht immer

Kollektive Intelligenz verbessert die Diagnosegenauigkeit – Foto: WavebreakMediaMicro - Fotolia
Ärztliche Diagnosen sind sehr viel genauer, wenn mehrere unabhängige Meinungen zusammengeführt werden. Das konnten Studien des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei anhand von Haut- und Brustkrebsdiagnosen bereits zeigen. Doch die Regel „Mehr Ärzte = bessere Diagnose“ stimmt nicht immer. Sind mehr als zehn Ärzte an der Entscheidungsfindung beteiligt, hat dies keinen weiteren Zusatznutzen.
Ärzte sollten ähnliche Qualifikation haben
Zudem ist, wie neuere Forschungen nun gezeigt haben, die Qualifikation der Ärzte wichtiger als ihre Anzahl. Nach Angaben der Forscher steigt die Qualität der Diagnose vor allem dann, wenn sich die Ärzte auf einem ähnlichen Wissenslevel befinden. Sind hingegen „die individuellen Fähigkeiten innerhalb der Gruppe zu unterschiedlich, sollte man der Diagnose des besten Arztes innerhalb der Gruppe vertrauen,“ so Ralf Kurvers, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Forschungsbereich „Adaptive Rationalität“ des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung.
Für ihre Studie nutzten die Wissenschaftler bereits vorhandene Datensätze aus zwei früheren Studien zur Brust- und Hautkrebsdiagnose. So konnten sie auf über 20.000 Bewertungen von mehr als 140 Ärzten zurückgreifen und die Diagnosegenauigkeit der einzelnen Ärzte berechnen. Mit diesen Informationen simulierten sie, unter welchen Bedingungen die mittels Regeln der kollektiven Intelligenz kombinierten Diagnosen treffsicherer sind als Einzeldiagnosen. Angewendet wurden dabei die Konfidenz- und die Mehrheitsregel. Während bei der Konfidenzregel pro Fall die Diagnose desjenigen Arztes gilt, der sich seiner Einschätzung am sichersten ist, gilt bei der Mehrheitsregel pro Fall diejenige Diagnose, welche am häufigsten von den Ärzten genannt wurde.
Schwarmintelligenz besser verstehen
„Das Studienergebnis ist ein weiterer wichtiger Baustein zum Verständnis, wie kollektive Intelligenz entstehen kann“, so Mitautor Max Wolf, der am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei über das Auftreten von kollektiver Intelligenz in der Natur forscht. Die Wissenschaftler untersuchen auch, wie soziale Systeme in der Natur – beispielsweise Fischschwärme – Informationen verarbeiten und wie dies genutzt werden kann, um menschliche Entscheidungsprozesse zu verbessern.
Das Ergebnis unterstreiche die Bedeutung der Diagnosegenauigkeit der einzelnen Entscheider für das Gesamtergebnis, so die Forscher. Dies sollte auch in der Praxis berücksichtigt werden – beispielsweise bei der unabhängigen Doppelbefundung einer Mammografie-Aufnahme durch zwei Ärzte. Zukünftig möchten die Wissenschaftler herausfinden, welche Informationen in der Praxis notwendig sind, um möglichst schnell etwas über die Diagnosegenauigkeit eines Arztes herauszufinden.
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