
Bei Operationen werden die meisten Behandlungsfehler vermutet. Doch in der Pflege wird am häufigsten geschludert
Neueste Zahlen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) aus 2017 zeigen ein unverändertes Bild: Von 13.519 Sachverständigengutachten wurden 3.337 Behandlungsfehler bestätigt, bei denen Patienten zu Schaden gekommen sind. Das entspricht einem Anteil von knapp 25 Prozent und ungefähr dem Wert der Vorjahre. Ernüchternd ist aber etwas anderes: „Wir sehen immer wieder die gleichen Fehler und zwar auch solche, die nie passieren dürften, weil sie gut zu vermeiden wären - vom im Körper vergessenen Tupfer bis hin zu Verwechslungen von Patienten und falschen Eingriffen", sagte Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS, am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Fehler, die nie passieren dürften, nennen Fachleute auch „Never Events“.
Der anerkannte medizinische Standard ist das Maß
Wenn Patienten einen Behandlungsfehler vermuten, können sie das der Krankenkasse melden. Die beauftragt dann ein Sachverständigengutachten des MDK. Die Gutachter (Fachärzte des jeweiligen Gebiets) gehen dabei der Frage nach, ob die Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard abgelaufen ist. Kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, prüft er, ob der entstandene Schaden auch tatsächlich durch den Fehler verursacht worden ist. Nur dann sind Schadensersatzforderungen aussichtsreich.
In der Pflege passieren die meisten Fehler
Am häufigsten bestätigten die MDK-Fachärzte Fehlervorwürfe in der Pflege (49,8 %), gefolgt von der Zahnmedizin (35,2 %) und der Frauenheilkunde (27 %). Dabei werden die meisten Behandlungsfehler (31 %) in der Orthopädie und Unfallchirurgie vermutet. Internisten und Allgemeinmediziner stehen mit 9 Prozent am zweithäufigsten unter Verdacht. Die Allgemeinchirurgie und Zahnmedizin teilen sich mit 8 Prozent den dritten Platz. „Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen und sagt auch nichts über das Risiko in einem Fachgebiet aus", kommentierte Prof. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern, die Diskrepanz.
Zwei Drittel der Behandlungsvorwürfe betrafen die Behandlung im Krankenhaus, ein Drittel niedergelassene Ärzte. "Viele Vorwürfe beziehen sich auf chirurgische Eingriffe, weil Patienten diese oft leichter an den Folgen erkennen können als zum Beispiel Medikationsfehler", erläuterte Zobel.
Systematische Erfassung gefordert
Vertreter des MDS kritisierten unterdessen eine fehlende Strategie zur Fehlervermeidung. Trotz aller Bemühungen für mehr Patientensicherheit sei die Transparenz über Art und Umfang von Fehlern unzureichend, hieß es. „Die in Deutschland verfügbaren Daten zu Behandlungsfehlern sind nicht repräsentativ für das Fehlergeschehen und erlauben daher kaum Rückschlüsse auf die Patientensicherheit", meinte PD Dr. Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS. So würden Daten von Krankenhäusern, Ärzten, Haftpflichtversicherungen und Gerichten nicht veröffentlicht. Deshalb sollten fehlerbedingte Schadensereignisse systematisch erfasst und analysiert werden, um gezielter Fehler vermeiden zu können. „Jeder Fehler, aus dem heute nicht gelernt wird, kann sich morgen wiederholen und erneut Schaden verursachen", betonte Skorning. Und: „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.“
Konkret forderten die Experten, Behandlungsfehler ähnlich wie Arbeitsunfälle verpflichtend zu erfassen und für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen zu nutzen. Seit Erfassung der Arbeitsunfälle hat sich die Zahl der Unfälle fast halbiert.
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