KV Berlin wirft Lauterbach Wortbruch vor

Für neue Patienten bekommen Ärzte derzeit ein Honorar außerhalb des Budgets. Damit soll bald Schluss sein – Foto: © Adobe Stock / Robert Kneschke
Die Bundesregierung hat am Mittwoch dem Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes zugestimmt. Mit der Finanzreform soll ein Defizit von 17 Milliarden Euro abgefangen werden, das den gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr voraussichtlichdroht. Das Gesetz sieht eine Kombination aus neuen Finanzspritzen und Sparmaßnahmen vor.
Leistungskürzungen für die Versicherten soll es aber nicht geben. Allerdings ist eine Beitragserhöhung von 0,3 Prozent vorgesehen. Um die Einnahmenseite zu verbessern werden außerdem etwa der Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro für 2023 um 2 Milliarden Euro erhöht, Preisabschläge auf Arzneimittel erhöht und der Bund gewährt der GKV ein unverzinsliches Darlehen für 2023 von 1 Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds.
De facto weniger Honorar für Ärzte
Sparmaßnahmen betreffen ausschließlich den niedergelassenen Bereich. So soll der Honorarzuwachs für Zahnärzte begrenzt und die sogenannte Neupatientenregelung abgeschafft werden. Die Neupatientenregelung war von Lauterbachs Vorgänger im Amt, Jens Spahn, im Jahr 2019 eingeführt worden, um die durch Budgetierung und hohe Patientenzahlen ohnehin stark belasteten Praxen dazu zu motivieren, zusätzliche kurzfristige Termine zur Verfügung zu stellen und neue Patienten aufzunehmen. Für die Versorgung dieser neuen Patientinnen und Patienten erhalten die Haus- und Fachärzte seither das Honorar „extrabudgetär“, also ohne Abschläge.
Scharfe Kritik von der KV Berlin
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin zeigte sich empört über die Streichung der Neupatientenregelung. „Der Bundesgesundheitsminister begehe mit der heutigen Entscheidung einen doppelten Wortbruch, teilte der Vorstand der KV Berlin mit. „Es werden nicht nur die bescheidenen Verbesserungen durch das TSVG zurückgedreht, sondern es wird auch die im Koalitionsvertrag zugesagte Abschaffung des Hausarztbudgets gleich mit einkassiert.“
Protestaktion am 7. September
Die KV Berlin kündigte an, die Entscheidungen nicht hinnehmen zu wollen, sondern man werde sich wehren, hieß es. Bereits in der vergangenen Woche habe man die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen dazu aufgerufen, an einem Aktionstag am 7. September teilzunehmen. Mit diesem Aktionstag wolle man der Politik klarmachen, dass der Gesetzgeber das aktuelle Finanzierungsproblem der gesetzlichen Krankenkassen nicht auf die ambulante Versorgung abschieben kann. „So sieht es jedenfalls aus, wenn man parallel feststellen muss, dass die Kliniken in den Sparplänen des Ministers keine Rolle spielen.“
Hartmannbund hält Lauterbach für entweder ahnungslos oder dreist
Mit scharfer Kritik reagierte auch der Hartmannbund auf die Streichung der Neupatientenregelung. Wenn der Bundesgesundheitsminister die Streichung mit den Worten begründe, man sei `nicht richtig in der Lage, zu prüfen, wer Bestands- und wer Neupatient ist´, spreche das „entweder für eine erschreckende Ahnungslosigkeit oder aber für schlichte Dreistigkeit“, hieß es in einer Erklärung des Verbandes. „Beides ist einer kultivierten politischen Debatte unwürdig.“ Sowohl die Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Krankenkassen könnten diese Daten ermitteln und hätten dies in der Vergangenheit auch schon getan. „Wir werden also im Laufe des nun beginnenden parlamentarischen Verfahrens alles tun, um deutlich zu machen, dass der Minister nicht nur in der Sache auf dem Holzweg ist, sondern auch seine Argumentation jeglicher Grundlage entbehrt“, so der Hartmannbund weiter.
Der Verband unterstützt ausdrücklich den Aufruf der Berliner Kassenärztlichen Vereinigung zu einem Protesttag am 7. September, in dessen Fokus die Kritik an der geplanten Rücknahme der Neupatientenregelung stehen wird. Die Vorsitzende des Hartmannbundes in Berlin, Miriam Vosloo, kündigte an, die Mitglieder des Hartmannbundes zur Teilnahme an dieser Protestaktion aufzurufen. „An dieser Stelle müssen wir alle gemeinsam ein klares Zeichen setzen.“