Krebstherapie im Alter beeinflusst Alltagskompetenzen
Krebs tritt zwar auch in jungen Jahren auf, doch es sind vor allem alte Menschen, die daran erkranken. Dass Krebstherapien in jedem Alter belastend sind, steht außer Frage. Ältere Menschen scheinen jedoch einen besonders hohen Preis dafür zu bezahlen, wie eine prospektive Beobachtungsstudie mit dem Fokus „Lebensqualität“ zeigt.
In die Studie wurden 40 Krebspatienten eingeschlossen, die im Mittel 74,4 Jahre alt waren. 26 Patienten erhielten eine kombinierte Strahlenchemotherapie, die anderen 14 nur eine Strahlentherapie. Lungenkrebs war die häufigste Diagnose.
Können Sie noch alleine Duschen?
Die Studienteilnehmer wurden vor Beginn der Krebstherapie und sechs Monate nach Abschluss der Therapie ausführlich untersucht und mit speziellen Assessment-Bögen befragt. Ermittelt wurden unter anderem Alltagskompetenzen wie Toilettengang, Duschen, Anziehen, Essen und Trinken, Telefonieren, Einkaufen, Hausarbeiten, Benutzung von Verkehrsmitteln, Planung, Umgang mit Geld und Urteilsvermögen. Der Ernährungsstatus wurde anhand von Bioimpedanzanalysen, sowie der Eiweißkonzentration (Albumin) im Serum ermittelt. Hinzu kamen Angaben zu Nikotin- und Alkoholkonsum, Kognition, sozialer Situation, Stimmungslage/Depressivität (Depressionsmodul PHQ-9), frühere und aktuelle körperliche Aktivität und Tests zu den körperlichen Funktionen wie Handkraft, Aufsteh- und Gehtests.
Nach sechs Monaten viel eingebüßt
Schon bei der ersten Folgeuntersuchung zeigte sich ein deutlicher Verlust der Lebensqualität und der körperlichen Funktionalität: Es traten Bewegungseinschränkungen sowie Fatigue-Symptomatik auf, die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL/Health-related quality of life fiel von durchschnittlich 79,8 auf 65,0 Punkte. Mit der körperlichen Funktionalität korrelierten dabei am stärksten das Serumalbumin und der PHQ9-Score.
„Wir konnten in der Studie wichtige, potenziell modifizierbaren Faktoren für einen Verlust an Lebensqualität bei alten Menschen in der Folgezeit nach der Strahlentherapie identifizieren“, erklärt Prof. Dirk Vordermark, Direktor der Universitätsklinik für Strahlentherapie in Halle. „Dies sind individuelle körperliche Aktivität, mentale Gesundheit einschließlich der sozialen Situation sowie der Ernährungszustand.“
Geriatrisch-onkologische Patienten brauchen spezielle Versorgungskonzepte
Im nächsten Schritt ist eine erneute Untersuchung der Studienteilnehmer nach zwölf Monaten geplant. Das Studienteam um Vordermark plant, zielgruppenorientierte Interventionsstrategien zu entwickeln und will in weiteren Studien überprüfen, ob sich die beschriebenen Risikofaktoren positiv beeinflussen lassen.
Dies wäre wünschenswert. Die wachsende Zahl alter Menschen bringt für etliche medizinische Bereiche Herausforderungen mit sich – in diesem Kontext wird im deutschen Sprachraum oft vom „grauen Tsunami“ gesprochen (analog zu „Silver Tsunami“). In Europa weist Deutschland neben Italien die älteste Bevölkerung auf. Über 2 Prozent der Einwohner sind hier älter als 65 Jahre. Innerhalb Deutschlands gibt es relativ große regionale Unterschiede mit „Hot Spots“ der Überalterung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Da es entsprechend auch immer mehr und immer ältere Krebspatienten bis jenseits von 80 Jahren gibt, ist gerade die Versorgung der alten und sehr alten geriatrisch-onkologischen Patienten ein besonders drängendes Problem.
Strahlentherapeut Vordermark: „Während in der Bestrahlungsphase die Lebensqualität hochaltriger Patienten in der Regel durch gute Planung, Überwachung und eventuelle Supportivmaßnahmen gut zu stabilisieren ist, so lässt sich jedoch nach dem Ende der Therapie über Monate hinweg häufig eine deutliche Verschlechterung der Lebensqualität beobachten, woraus abzuleiten ist, dass hier spezifische Versorgungskonzepte entwickelt werden müssen.“
Die Studie“ Die Entwicklung der körperlichen Funktionsfähigkeit älterer Krebspatientinnen und Krebspatienten vor und 6 Monate nach Tumortherapie - eine prospektive Beobachtungsstudie" wurde auf dem DEGRO-Kongress in Münster vorgestellt.
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