Krebskongress beleuchtet Chancen der personalisierten Krebstherapie
Die Erkenntnis, dass Krebs nicht gleich Krebs ist, hat zusammen mit den neuen molekulardiagnostischen Möglichkeiten die Ära der personalisierten Krebstherapie eingeläutet. „Personalisiert“ bedeutet, dass Patienten ein Medikament erhalten, das möglichst genau auf das molekulare Profil des jeweiligen Tumors abgestimmt ist. Darum wird häufig auch von zielgerichteten Therapien gesprochen.
Einen der ersten Durchbrüche dieser Art gab es zur Jahrtausendwende in der Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass ein Teil der CML-Patienten eine Mutation im BCR-ABL-Gen aufweisen und einen passgenauen Hemmstoff entwickelt. Durch die gezielte Blockade dieser Treibermutation haben sich die Überlebenschancen der Betroffenen dramatisch verbessert. Heute gelten die sogenannten Tyrosinkinase-Inhibitoren als medikamentöser „Goldstandard“ der CML-Behandlung.
Krebstreibende Mutationen werden gehemmt
Einen weiteren bemerkenswerten Durchbruch gab es vor wenigen Jahren beim Melamom. Auch hier gelang es, die entscheidende Treibermutation „BRAF“ mit einem entsprechenden Wirkstoff zu hemmen. „Viele Patienten, die mit einem fortgeschrittenen Melanom und schwersten Krankheitssymptomen auf Station liegen, können nach der Behandlung mit diesen Medikamenten wieder nach Hause gehen“, berichtet der Vizepräsident des Deutschen Krebskongresses Prof. Ulrich Keilholz im Kongress-Newsletter. Das sei sehr eindrucksvoll.
Resistenzen schmälern den Therapieerfolg
Personalisierte Krebstherapien werden mittlerweile auch bei Dickdarmkrebs, Lymphomen, Lungenkrebs, Hirntumoren und seit 2015 auch beim Eierstockkrebs eingesetzt. Doch den neuen Medikamenten sind Grenzen gesetzt: Viele Tumore entwickeln nach einer gewissen Zeit Resistenzen und sprechen dann nicht mehr auf die Therapie an. Zudem lässt sich die Wirkung nicht unbedingt auf andere Krebserkrankungen übertragen, auch wenn die gleiche Mutation zugrunde liegt. Darmkrebspatienten mit einer BRAF-Mutation sprechen laut Krebsmediziner Keilholz zum Beispiel nicht auf BRAF-Inhibitoren an, während Patienten mit Melanom oder Haarzelllymphom davon profitieren. „Offensichtlich spielt der Gewebekontext eine wichtige Rolle“, so der Leiter des Tumorzentrums der Charité.
150 bis 500 Mutationen pro Tumor geben der Wissenschaft viele Rätsel auf
Neueste Erkenntnisse zur Übertragbarkeit von Wirkstoffen auf andere Tumorarten werden Krebsmediziner auf dem Deutschen Krebskongress 2016 Ende Februar in Berlin vorstellen. Mindestens so spannend dürfte aber die Diskussion um sogenannte Dysfunktionsmutationen werden. Anders als die Treibermutationen, die direkt das Krebswachstum auslösen, setzen diese Mutationen funktionierende Gene außer Gefecht und bringen dadurch Stoffwechselwege zum Entgleisen. Während die wichtigen Treibermutationen inzwischen bekannt sind und nur rund zehn Prozent aller Tumorerkrankungen triggern, sind die wesentlich häufigeren Dysfunktionsmutationen noch kaum verstanden. „An diesen Mutationen müssen wir jetzt vor allem forschen“, so Onkologe Keilholz.
Um das komplexe Zusammenspiel der 150 bis 500 Mutationen eines Tumors zu verstehen, sieht der Krebsspezialist künftig auch Bioinformatiker mit an Bord. Seine Vision von der Tumormedizin von morgen ist, „ dass Pathologen eines Tages gemeinsam mit Bioinformatikern das Mutationsprofil eines Tumors auswerten und das Ergebnis mit den klinischen Kollegen in einer molekularen Tumorkonferenz besprechen.“ Im Idealfall haben die Ärzte dann auch das passende „personalisierte“ Medikament parat.
Der Deutsche Krebskongress findet vom 24. bis 27. Februar 2016 im City Cube Berlin statt. Am letzten Kongresstag kann sich die Öffentlichkeit im Rahmen des Krebsaktionstags über Neuigkeiten aus der Krebsmedizin informieren.
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