
Probiotika stehen zurzeit stark im Fokus der medizinischen Forschung – Foto: ©magele-picture - stock.adobe.com
Probiotika sollen unsere Darmgesundheit stärken und eine positive Wirkung bei verschiedenen Erkrankungen haben. Vor allem nach einer Behandlung mit Antibiotika sollen sich die „guten“ Keime positiv auf die Darmflora auswirken. Aber auch für die Psyche und das Immunsystem sollen sie gut sein und neueren Forschungen zufolge vielleicht sogar den Verlauf einer Osteoporose verlangsamen. Über mögliche Nebenwirkungen wird dabei nur selten gesprochen. Forscher machen jedoch darauf aufmerksam, dass eine Fehlbesiedelung des Darms mit probiotischen Stämmen zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
Probiotika haben unterschiedliche Wirkmechanismen
Probiotika wirken auf ganz unterschiedliche Weise auf unseren Körper. So produzieren einige von ihnen wie beispielsweise E. coli Nissle 1917 eine Art natürlicher Antibiotika, mit denen schädliche Bakterien wie Salmonellen abgetötet werden können. Andere probiotische Stämme wirken beispielsweise durch Wasserstoffperoxid auf Erreger ein, wieder andere durch Milchsäure, Kohlendioxid oder sogar Alkohol. Am bekanntesten sind die sogenannten Laktobazillen, welche Milchsäure produzieren.
Ob und welche probiotischen Keime überhaupt im Darm aufgenommen werden, entscheidet auch die zuvor vorhandene Besiedelung. Gibt es dort eine Lücke, können sich bestimmte Stämme dort ansiedeln und für eine bessere Darmflora sorgen. Welche Keime aber nützlich sind und überhaupt zur Wirkung kommen können, hängt vom Keimstamm sowie von der Krankheit ab, die damit bekämpft werden soll.
Riesige Bakterien-Kolonien im Dünndarm
Die meisten Menschen nehmen Probiotika jedoch nur „auf gut Glück“ ein. Ob sie tatsächlich einen Mangel an genau den probiotischen Stämmen, die sie zu sich nehmen, haben und ob ihnen die Mittel nützen, ist meist unklar. Dabei kann die Einnahme auch zu unerwünschten Nebenwirkungen führen - das haben Forscher um Satish Rao von der Augusta University kürzlich gezeigt.
Für ihre Studie untersuchten die Mediziner 30 Personen, die zum Teil unter Blähbauch, Magenschmerzen und Flatulenzen litten, aber auch mentale Symptome wie Verwirrtheit und Konzentrationsproblemen aufwiesen. Sie stellten fest, dass bei denjenigen, die unter solchen Beschwerden litten, im Dünndarm riesige Kolonien an Lactobacillus-Bakterien im zu finden waren, welche wiederum große Mengen an D-Milchsäure produzierten. Bei den Vergleichspersonen ohne Beschwerden war dies nicht der Fall.
D-Milchsäure kann aus dem Dünndarm ins Gehirn wandern
Im Dünndarm werden in der Regel nur geringe Mengen an D-Milchsäure produziert, die für den Organismus kein Problem bedeuten. Milchsäurebakterien aus den Probiotika setzen jedoch Zucker aus der Nahrung um und erzeugen dabei die D-Milchsäure: Diese kann durch die Darmwand ins Blut und sogar ins Gehirn wandern.
Dort kann die Milchsäure auf die Nervzellenzellen wirken und das Gedächtnis, das Zeitgefühl und grundlegende kognitive Prozesse beeinträchtigen. Einige Teilnehmer wiesen zwei- bis dreimal so viel D-Milchsäure im Blut auf, wie normalerweise bei gesunden Menschen üblich ist. Die Verwirrtheitsphasen traten bei ihnen nach dem Essen auf und dauerten zwischen einer halben bis zu mehreren Stunden. Wie die Forscher durch eine Befragung feststellten, nahmen diese Personen regelmäßig Probiotika ein, zum Teil in sehr großen Mengen.
Probiotika als Arzneimittel betrachten
„Probiotika sollten als Arznei betrachtet werden, nicht als Nahrungsergänzungsmittel“, so Studienleiter Rao. Nach einer Antibiotikatherapie könnten sie tatsächlich dazu beitragen, die Darmflora wieder aufzubauen. Ansonsten sollten sie eher zurückhaltend eingenommen werden, so der Forscher. Schon frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass Probiotika bei schweren Entzündungen kontraindiziert sind. So konnte eine niederländische Studie zeigen, dass die Einnahme eines hochdosierten Probiotika-Präparats die Mortalitätsrate bei Patienten mit akuter Bauchspeicheldrüsenentzündung verdoppelte. Auch bei anderen Entzündungen im Verdauungstrankt raten Experten zur Zurückhaltung. Die Ergebnisse der aktuellen Studie wurden im Fachmagazin „Clinical and Translational Gastroenterology“ veröffentlicht.
Foto: © magele-picture - Fotolia.com