Klimaforscher: Brauchen mehr Wald und weniger Fleisch

Wald schützt das Klima. Doch Landwirtschaft und vor allem die Massentierhaltung rauben ihm den Platz
Vor 1000 Jahren war hierzulande Wald, wo hin man auch schaute. Bevölkerungswachstum und Landwirtschaft haben dieses Ökosystem zerstört – mit weitreichenden Folgen fürs Klima. Nun hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) eine neue Studie zum Klimaschutz vorgelegt. Das Kernergebnis stützt die kürzlich aufgestellten Forderungen des Weltklimarats: Durch mehr Wald und weniger Fleischkonsum könnten die Pariser Klimaziele erreicht werden. Das Abkommen sieht vor, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.
Massentierhaltung raubt dem Wald die Fläche
Computersimulationen zeigen, dass Aufforstung, Wiederaufforstung und das Vermeiden von Entwaldung ebenso wie eine drastische Reduzierung der Landwirtschaft, insbesondere des Massentierhaltung zwingend notwendig für den Klimaschutz sind.
Denn: Bäume entziehen der Atmosphäre durch den Aufbau von Biomasse das Treibhausgas CO2 und bekämpfen dadurch die Erderwärmung. Das würde allerdings eine Umstellung des derzeitigen Lebensmittelsystems bedeuten, da dann weniger Fläche für die Landwirtschaft ergo für die Fleischproduktion zur Verfügung stünde.
„Wir haben verschiedene Szenarien verglichen, in denen die Nachfrage nach Fleisch, der Anbau von Energiepflanzen, die Bewässerungseffizienz sowie die Ernteertragssteigerung variieren“, berichtet Studienautorin Dr. Heera Lee vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU).
Simulationen fordern Fleischverzicht
Insgesamt wurden mit Computermodellen 972 Szenarien für das Jahr 2050 simuliert. 351 waren erfolgreich und forderten eine Vergrößerung der Waldfläche um mindestens 23 Prozent gegenüber 2010, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, sowie eine Energiezufuhr von mindestens 2800 Kilokalorien pro Person und Tag.
Sechs der Simulationen erfordern, Fleisch von Wiederkäuern durch anderes Fleisch zu ersetzen, 215 verlangen eine Reduktion des Fleischkonsums um 25 bis 75 Prozent, 88 einen völligen Verzicht auf Fleisch - bei jeweils mindestens 15 Prozent Ernteertragssteigerung.
Auch wenn die Maßnahmen prozentual leicht variieren: Unterm Strich zeigen die Simulationen, dass eine Reduzierung des Fleischkonsums und mehr Waldflächen die Stellschrauben für den Klimaschutz sind.
Umstellung des Lebensmittelsystems erforderlich
Klimaforscherin Dr. Heera Lee: „Unsere Studie zeigt, dass die für den Klimaschutz ausreichende Vergrößerung der Waldflächen bei gleichzeitiger Sicherung der Lebensmittelversorgung eine Umstellung des Lebensmittelsystems auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite erfordert, wobei der teilweise oder völlige Verzicht auf Fleisch in der Praxis eine Herausforderung darstellen dürfte.“ Wichtig sei dabei, Lebensmittelimporte nach Europa nicht zu steigern, um die Verlagerung von Lebensmittelerzeugung und Entwaldung in andere Regionen der Erde zu vermeiden.
Mit anderen Worten: Es nutzt nichts, wenn wir in Deutschland weniger Fleisch produzieren und im Gegenzug billiges Fleisch aus anderen Ländern importieren. Wer also etwas fürs Klima tun will, sollte also am besten kein Fleisch mehr essen.
Euroäpische Studie
An der Studie waren beteiligt: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), der Campus Alpin des KIT in Garmisch-Partenkirchen, die University of Edinburgh, der Cranfield University/UK sowie die TIAMASG Foundation in Bukarest.
Für die Simulationen wurde ein integriertes Modell genutzt, das im EU-Projekt IMPRESSIONS (Impacts and risks from high-end scenarios: strategies for innovative solutions) entwickelt wurde.
Die Ergebnisse der Studie “Implementing land-based mitigation to achieve the Paris Agreement in Europe requires food system transformation. Environmental Research Letters” wurden soeben in der Zeitschrift Environmental Research Letters publiziert.
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