Hirntumor: Therapie auch bei Rezidiv sinnvoll

Neuroonkologische Zentren: Niemand wird mit einem Hirntumor Rezidiv einfach nach hause geschickt
Die Therapie von bösartigen Hirntumoren wie dem Gliobastom hat sich in den letzten Jahren merklich verbessert. Dennoch ist die Lebenserwartung immer noch vergleichsweise niedrig. Gerade mal jeder vierte Patient überlebt die ersten zwei Jahre nach Diagnose. Ursache ist, dass neben dem eigentlichen Tumor auch andere Bereiche des Gehirns von Tumorzellen befallen sind, so dass ein Rückfall früher oder später unausweichlich ist. Noch vor zwanzig Jahren haben Ärzte Patienten mit einem Rezidiv gar nicht erst behandelt, geschweige denn operiert. Eine erneute Therapie galt als aussichtlos oder als zu riskant. Inzwischen ist das anders. An großen Tumorzentren wie etwa dem Zentrum für neuroonkologische Tumore der Charité werden heute sogar Patienten mit drittem oder viertem Rezidiv operiert. Dabei geht es den Ärzten weniger um die Lebensverlängerung als um die Verbesserung der Lebensqualität ihrer Patienten.
In erster Linie geht es darum, neurologische Defizite zu verhindern
„Die Annahme, dass man bei Rezidiven nichts mehr tun kann, gilt einfach nicht mehr“, sagt Prof. Peter Vajkoczy, Direktor der Neurochirurgischen Klinik der Charité. „Wir wissen heute, dass eine erneute Operation in den meisten Fällen sehr sinnvoll ist, weil wir damit neurologische Defizite vermeiden oder zumindest verringern können.“ Selbst bei inoperablen Rezidiven könne man die Lebensqualität der Patienten oft noch deutlich verbessern, etwa durch medikamentöse Therapien, eine erneute Bestrahlung oder inzwischen auch mit Immuntherapien wie beispielsweise einer Impfung mit dendritischen Zellen.
Doch das Wissen um den Nutzen einer Rezidivtherapie ist offenbar in der Versorgungsrealität noch nicht ganz angekommen, jedenfalls nicht flächendeckend. Eine kürzlich in Frankfurt vorgestellte Studie zur Hirntumortherapie hat an den Tag gebracht, dass nur jeder zweite Patient im Rezidivfall tatsächlich eine Behandlung erhält. Die Berliner Hirntumorexperten der Charité sehen darin zwar schon eine enorme Steigerung im Vergleich zu früher, aber auch noch „viel Luft nach oben.“
Nach Hirntumor Rezidiv erhält nur jeder zweite Patient angemessene Therapie
An zertifizierten Tumorzentren, wo unter der Flagge der Deutschen Krebsgesellschaft nach neuesten Standards interdisziplinär therapiert wird, würde man heute jedenfalls keinen Patienten nach hause schicken, ohne nicht wenigstens das allerletzte Mittel geprüft zu haben. „Natürlich wird nur der Patient behandelt, bei dem der therapeutische Nutzen und die Therapienebenwirkungen in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen“, sagt Dr. Martin Misch, Oberarzt an der Neurochirurgischen Klinik der Charité. Gerade bei Hirntumoren sei aber ein aggressiveres Vorgehen erwiesenermaßen besser, weil dem Patienten sonst schwere neurologische Defizite drohten.
Dass sich der Standard of care bei Hirntumor Rezidiven in den letzten Jahren so gewandelt hat, liegt in erster Linie an verbesserten Operationstechniken. Mittels moderner Neuronavigation und intraoperativen Funktionsmessungen können versierte Neurochirurgen heute Hirntumore und Rezidive nahezu komplikationsfrei operieren. Zudem hat auch die medikamentöse Therapie in den letzten zehn Jahren Fortschritte gemacht. Ein kleiner Meilenstein war die Einführung der Chemotherapie Temodal, gefolgt vom Angiogenesehemmer Avastin, der zwar – anders als erhofft – nicht das Gesamtüberleben verlängern kann, wohl aber die wichtige Zeit bis zum ersten Rezidiv. Außerdem kann das Krebsmittel nach Auskunft der Charité-Mediziner die Lebensqualität der Patienten erheblich verbessern. „Und das ist“, so Neurochirurg Vajkoczy „in der Rezidivtherapie ein ganz entscheidender Punkt.“
Das ausführliche Interview mit den Neurochirurgen der Charité finden Sie hier.
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