Harn- und Nierensteine: Sind Alphablocker wirklich von Nutzen?
Die Häufigkeit von Harnsteinerkrankungen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen – zumindest in den westlich orientierten Industrienationen. Allein in Deutschland hat sich die Zahl der Neuerkrankungen innerhalb der letzten zehn Jahre verdreifacht. Etwa 1,2 Millionen Patienten pro Jahr suchen hierzulande wegen Harn- oder Nierensteinen einen Arzt auf. Dieser stellt mittels Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen die Größe und Lokalisation des Steins fest und entscheidet dann mit dem Patienten, ob auf einen spontanen Steinabgang gewartet werden kann oder operative Maßnahmen notwendig sind. Auch die Gabe von Alphablockern ist eine Option, die aber umstritten ist. Zudem werden die Schmerzen mit entsprechenden Medikamenten behandelt.
Steine im Harnleiter führen zu großen Schmerzen
Harnsteine können im gesamten Harntrakt vorkommen. Je nach Lokalisation spricht man von Nierensteinen, Harnleitersteinen oder Blasensteinen. Insbesondere Nieren- und Harnleitersteine entstehen durch falsche Ernährungsgewohnheiten, Übergewicht, genetische Veranlagung oder Stoffwechselstörungen. Während Nierensteine meist zunächst keine Beschwerden verursachen, können sie, sobald sie in den Harnleiter absteigen, zu einer Harnabflussstörung und einem Harnstau führen. Das ist ausgesprochen schmerzhaft und führt zu den typischen Nierenkoliken.
Gehen die Steine nicht von alleine ab, werden von einigen Ärzten Medikamente aus der Gruppe der Alphablocker eingesetzt – Wirkstoffe, die eigentlich zur Linderung von Beschwerden bei einer gutartigen Prostatavergrößerung entwickelt wurden. Aber obwohl sie für die Behandlung von Nieren- und Harnsteinen eigentlich nicht zugelassen sind, dürfen Alphablocker wie beispielsweise Tamsulosin im sogenannten Off-Label-Use verschrieben werden. Forscher haben nun ihren Nutzen in einer Studie untersucht.
Nutzen von Alphablockern fraglich
Die Forscher um Andrew Portis vom HealthEast Kidney Stone Institute in St. Paul, Minnesota, stellten folgende Hypothese auf: Wenn Alphablocker den Abgang von Harnsteinen tatsächlich erleichtern, sollte der Verzicht auf sie einen Anstieg operativer Interventionen nach sich ziehen.
Um ihre These zu überprüfen, verabreichten sie über einen Zeitraum von einem Jahr fast allen Patienten ihrer Klinik mit unilateralen Harnleiterkonkrementen, die kleiner als ein Zentimeter waren, den Alphablocker Tamsulosin als Expulsionstherapie. Im darauffolgenden Jahr verzichteten sie hingegen soweit wie möglich auf die Verordnung von Tamsulosin. Stattdessen fokussierten sie sich darauf, die Symptome zu kontrollieren und die Patienten zu ermutigen, den Abgang der Steine abzuwarten.
Operationsrate sank trotz Verzicht auf Alphablocker
Insgesamt sammelten die Forscher so die Daten von über 700 Patienten. Es zeigte sich, dass die Rate der Operationen bei den Patienten, die abwarteten, von 26 auf 19 Prozent stieg. Die Differenz war zwar nicht signifikant, aber immerhin war auch kein Anstieg festzustellen. Insgesamt sank die Eingriffsrate in der Studiengruppe von 51 auf 40 Prozent.
Die Forscher schlussfolgerten: Wenn nach dem Verzicht auf Alphablocker nicht mehr Operationen nötig werden, helfen sie bei der natürlichen Konkrementpassage ganz offenbar nicht. In ihrem Fazit erklären die Wissenschaftler: „Tamsulosin aus den klinischen Protokollen zum Management von Patienten mit Ureterkonkrementen zu streichen, behindert nicht die natürliche Steinpassage bei Patienten, die sich darauf einlassen.“
Einschränkend muss erwähnt werden, dass alle Probanden der Studie an einer hochspezialisierten Klinik behandelt wurden. Ob die Ergebnisse also auf andere Patienten übertragbar sind, ist fraglich. Zudem kamen frühere Studien zu anderen Ergebnissen und wollten einen Nutzen von Alphablockern bei Harnsteinen sehen.
Harn- und Nierensteinen vorbeugen
Harn- und Nierensteine neigen dazu wiederzukommen. Wer sie also einmal hatte, muss damit rechnen, dass sie sich erneut bilden können. Als Vorbeugung wird empfohlen, viel zu trinken. An heißen Tagen sollten es zwei bis zweieinhalb Liter täglich sein – bei körperlicher Anstrengung und starkem Schwitzen noch mehr. Wer unter einer Herzinsuffizienz oder Nierenproblemen leidet, sollte mit seinem Arzt absprechen, wie viel er trinken darf und soll.
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