Grippeimpfung, Pneumokokkenimpfung während Corona-Pandemie sinnvoll?

Der Virologe Alexander Kekulé rät derzeit von unnötigen Arztbesuchen und Impfungen ab. Für die Grippeimpfung ist es ohnehin zu spät
Bis in den letzten Winkel der Republik dürfte es sich herumgesprochen haben: Gegen das neuartige Coronavirus gibt es (noch) keine Impfung.
Allerdings rät das Robert Koch-Institut (RKI) gerade wegen der Corona-Pandemie, jetzt noch versäumte Impfungen nachzuholen, insbesondere solche, die vor Infektionen der Atmungsorgane schützen. Begründet wird dies damit, dass ein möglichst guter Gesundheitszustand der Bevölkerung das Gesundheitssystem vor einem Kollaps schütze. Ein umfassender Impfschutz gemäß den aktuellen STIKO-Empfehlungen könne dazu beitragen, schreibt das RKI.
Um sich keinem unnötigen Risiko auszusetzen, rät das RKI, vorher in der Arztpraxis anzurufen, um sicherzustellen, „dass der Praxisbesuch ohne Kontakt zu Patienten mit Symptomen eines respiratorischen Infekts stattfinden kann und ob Impfstoff verfügbar ist.“
Ärzte können Superspreader sein
Nicht erwähnt wird, dass auch der impfende Arzt selbst ein sogenannter Superspreader sein kann. Ein prominentes Beispiel für dieses Risiko ist die Bundeskanzlerin: Angela Merkel steht seit ihrer Pneumokokkenimpfung unter Quaränte. Ihr Arzt war mit dem Coronavirus infiziert. Zwar war der erste Test auf das Coronavirus bei der Kanzlerin negativ, doch es nicht auszuschließen, dass sie sich bei ihrem Arzt angesteckt hat. Wegen einer Impfung, die sie eigentlich schützen soll. Nicht vor COVID-19, aber einer bakteriellen Lungenentzündung mit Pneumokokken, die sich schlimmstenfalls auf eine COVID-19 Infektion draufsetzen kann.
Pneumokokken-Impfung kaum noch verfügbar
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI empfiehlt – unabhängig von der COVID-19-Pandemie - für alle Personen, die ein erhöhtes Risiko für Pneumokokken-Erkrankungen haben, eine entsprechende Impfung. Da der Pneumokokken-Impfstoff jedoch knapp ist, sollen laut RKI derzeit nur die Personen geimpft werden, die ein besonders hohes Risiko für Pneumokokken-Erkrankungen haben. Das sind Säuglinge und Kleinkinder bis zum Alter von zwei Jahren, Personen mit Immundefizienz, Senioren ab 70 Jahren und Personen mit chronischen Atemwegserkrankungen wie etwa Asthma oder COPD.
Keine unnötigen Arztbesuche und Impfungen
Doch fraglich ist, ob diese Empfehlungen in Pandemiezeiten wirklich sinnvoll sind. Sollten Eltern mit ihrem Baby jetzt tatsächlich zum Kinderarzt, um es gegen Pneumokokken impfen zu lassen? Muss der 70-Jährige wirklich den Weg zum Hausarzt wagen, so lange er gesund ist? Ist das Risiko für eine Coronavirusinfektion augenblicklich nicht deutlich größer als für eine Pneumokokkeninfektion? Bekannt ist doch, dass es gerade den niedergelassen Ärzten an Schutzausrüstung fehlt.
Der Virologe und Epidemiologe Professor Alexander Kekulé rät allen Menschen ganz klar von nicht nötigen Arztbesuchen und prophylaktischen Impfungen ab. „Die Arztpraxis ist in der jetzigen Lage ein gefährlicher Ort“, betonte Kekulé im MDR Podcast vom Montag. „Die Risikoabwägung sagt ganz klar: Nicht zum Arzt gehen, wenn es nicht unbedingt sein muss und dazu gehören Impfungen.“
Kekulé leitet das Institut für Mikrobiologie an der Universität Halle und hat von 2002 bis 2015 die Bundesregierung in Sachen Infektionsschutz beraten. Zur Grippeimpfung sagte der Experte: „Jetzt Ende März, macht die Grippeimpfung keinen Sinn mehr. Die Grippesaison ist vorbei.“
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