Fatigue häufigstes Symptom bei Multipler Sklerose

MS-Patienten, die an Fatigue leiden, brauchen mehrere Ruhepausen am Tag – Foto: ©Andrey Popov - stock.adobe.com
Die Fatigue ist durch Schwäche, Mattigkeit, Antriebs- und Energiemangel sowie ein dauerhaft vorhandenes Müdigkeitsgefühl gekennzeichnet. Sie ist das häufigst genannte Symptom der Multiplen Sklerose. Das ergab eine aktuelle Auswertung aus dem MS-Register des Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband.
Frühere Untersuchungen hatten bereits darauf hingewiesen, heißt es weiter in einer Pressemitteilung. Mit Follow-up-Daten der letzten zwei Jahre wurde nun dargestellt, dass die Fatigue eine im Krankheitsverlauf zunehmende prozentuale Häufigkeit hat. Während im ersten Jahr der Erkrankung 30,4 Prozent der an MS Erkrankten davon betroffen sind, steigt diese Häufigkeit im dritten Jahrzehnt der Erkrankung auf 58,7 Prozent an.
Frauen sind häufiger betroffen
Mit zunehmender Krankheitsdauer ist ein Anstieg der Behandlungshäufigkeit von 25 auf 32 Prozent festzustellen, wobei dieser in erster Linie durch einen Anstieg der medikamentösen Therapie von 6 auf 13 Prozent hervorgerufen wird. Die nicht-medikamentöse Behandlungshäufigkeit bleibt mit circa 20 Prozent weitestgehend konstant.
Insgesamt sind Frauen (53,9 Prozent) etwas häufiger von Fatigue betroffen als Männer (47,6 Prozent). Wenn man eine Unterscheidung nach Verlaufsformen erstellt, zeigen sich ansteigende Häufigkeiten, welche in Bezug zur Krankheitsdauer konsistent sind.
Eingeschränkte Berufstätigkeit
Ein Vergleich von Patienten, die ohne MS-bedingte Einschränkungen einer aktuellen beruflichen Tätigkeit nachgehen, und solchen mit Einschränkungen legt einen starken Einfluss der Fatigue auf das Berufsleben nahe. Nach fünf bis zehn Jahren Erkrankungsdauer sind Patienten, die in ihrer Berufstätigkeit eingeschränkt sind, fast doppelt so häufig von Fatigue betroffen wie Patienten ohne Einschränkungen (74,6 gegenüber 39,8 Prozent).
Fatigue häufigstes Symptom bei MS
Obwohl die Fatigue häufigstes Symptom bei MS ist, sind medikamentöse Therapien bislang oft unbefriedigend. Im Einzelfall kann ein Therapieversuch mit dem aus der Behandlung von Viruserkrankungen stammenden Wirkstoff Amantadin zumindest teilweise erfolgreich sein, heißt es bei der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.
Aminopyridine (4-Aminopyridin), die auf ärztliche Einzelverordnung von einem Apotheker angefertigt werden können, werden in Deutschland in begrenztem Maß zur Behandlung der Fatigue eingesetzt. Fampridin, ein Medikament mit einer chemisch abgewandelten Form des 4-Aminopyridin, konnte in US-Studien die Gehgeschwindigkeit von MS-Patienten verbessern. In den USA ist dieses Medikament zur symptomatischen Therapie der MS-bedingten Gangstörung zugelassen.
Medikament gegen Narkolepsie
Eine andere Behandlungsmöglichkeit stellt Modafinil (Handelsname Vigil) dar, ein Medikament, das in Deutschland zur Behandlung der Schlafattacken bei der Narkolepsie, aber nicht für die MS-assoziierte Fatigue zugelassen ist.
In einer ersten, placebo-kontrollierten Studie dazu zeigten sich positive Effekte auf die subjektiv erlebte Erschöpfbarkeit. Diese Ergebnisse konnten in einer weiteren Studie zwar nicht bestätigt werden, dennoch kann die Substanz im Einzelfall wirksam sein. Da das Medikament nicht zugelassen ist (Off-Label-Use), werden die Behandlungskosten in der Regel von der Krankenkasse nicht übernommen.
Als weitere Option kann ein Behandlungsversuch mit antriebssteigernden Antidepressiva wie Noradrenalin- oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmern unternommen werden.
Nicht-medikamentöse Therapie der Fatigue
Da die medikamentöse Therapie der Fatigue in der Regel nicht sehr erfolgreich ist, stehen nicht-medikamentöse Maßnahmen im Vordergrund des Behandlungskonzepts. Zunächst ist es wichtig, die Fatigue als solche zu erkennen und die Patienten und deren Angehörige darüber aufzuklären, dass die erhöhte Ermüdbarkeit ein Symptom der MS ist und keinesfalls auf fehlender Willenskraft oder Faulheit beruht.
Andere, zu erhöhter Müdigkeit führende Ursachen müssen ausgeschlossen und behandelt werden. Dazu zählen Nebenwirkungen von Medikamenten (insbesondere solche zur Verringerung der Spastik), akute Infektionen, Depressionen und Schlafstörungen, aber auch Blutarmut (Anämie) und niedriger Blutdruck.
Mehrere Ruhepausen am Tag
Viele Patienten kommen gut mit der Fatigue zurecht, indem sie konsquent eine oder mehrere Ruhepausen am Tag einlegen. Körperliches Training, vor allem mit Ausdauersportarten wie Nordic Walking oder auf dem Fahrradergometer, steigert die körperliche Belastbarkeit und lindert die Fatigue.
Die Wirksamkeit mehrwöchiger Rehabilitationsmaßnahmen ist gut belegt. Hierbei können neben regelmäßigem und intensivem körperlichen Training auch Strategien zum effektiven Einsatz der verfügbaren Energie vermittelt und die Betroffenen im Gebrauch von Hilfsmitteln geschult werden.
Täglich 2 bis 3 Liter trinken
Vor allem bei Patienten mit erhöhter Wärmeempfindlichkeit kann die Senkung der Körpertemperatur und die Vermeidung von Hitze erfolgreich sein. Die Kühlung des Körpers kann durch Kühlelemente, die in verschiedenen Bekleidungsstücken wie Kühlwesten, Stirnbändern, Nackentüchern, Kühlhauben oder Kühlstrümpfen zur Verfügung stehen, durch kalte Bäder oder durch den Einsatz von Klimaanlagen erfolgen.
Da Flüssigkeitsmangel die Fatigue verstärken kann, sollten Betroffene ausreichend trinken - wünschenswert sind, sofern Herz und Nieren gesund sind, täglich 2 bis 3 Liter, bei hohen Umgebungstemperaturen entsprechend mehr.
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