Deutsche gehen im internationalen Vergleich selten in die Notaufnahme
Die Notaufnahmen deutscher Krankenhäuser sind überfüllt, weil sie oft wegen Bagatellerkrankungen aufgesucht werden. Viele sind am Limit angelangt und klagen über chronische Überlastung. Inzwischen hat das Problem politische Dimensionen angenommen und es wird nach einer Neuausrichtung der Notfallversorgung gesucht. Doch schaut man sich Länder wie Großbritannien, Kanada oder die USA an, gehen die Deutschen vergleichsweise selten in die Rettungsstellen, nämlich gerade mal 22 Prozent der Bevölkerung. In Kanada sind es dagegen 41 Prozent und in den USA 39 Prozent. Das sind die Ergebnisse einer globalen Studie von Royal Philips und der George Washington University School of Medicine & Health Sciences. Neben Kanada und den USA wurden Australien, die Niederlande, die Schweiz, Großbritannien und eben Deutschland in die Studie einbezogen.
Die Krux sind zeitnahe Termine beim Arzt
Die Autoren der Studie führen die Unterschiede auf die bessere Primärversorgung in Deutschland zurück. Demnach haben die Kanadier und US-Amerikaner den schlechtesten Zugang zu niedergelassenen Ärzten. Nur 41 bzw. 48 Prozent der Patienten, die schnelle medizinische Hilfe benötigen, erhalten dort noch am selben oder am nächsten Tag einen Termin in einer Arztpraxis. Deutsche Patienten können dagegen in 76 Prozent der Fälle einen zeitnahen Termin vereinbaren. Das könnte auch etwas mit der Ärztedichte zu tun haben: Während in Kanada und in den USA 2,46 beziehungsweise 2,56 Ärzte auf 1.000 Einwohner kommen, belegt Deutschland mit 4,04 den Spitzenplatz.
USA haben das teuerste Gesundheitssystem
Zahlen sagen jedoch wenig über die Behandlungsqualität aus. Schaut man sich die 30-Tage-Mortalitätsrate bei Patienten mit akutem Herzinfarkt an, sieht es in Deutschland nicht mehr so gut aus: Nach der Studie schneiden die USA mit 5,5 Prozent am besten ab. Deutschland hat mit 9,6 Prozent die höchste Sterberate. Allerdings müssen die Amerikaner auch mehr dafür bezahlen: mit Pro-Kopf-Ausgaben von 8.745 US Dollar haben die USA das mit Abstand teuerste Gesundheitssystem. Deutschland liegt mit 4.811 US Dollar pro Kopf im Mittelfeld.
„Die Studienergebnisse legen nahe, dass ein guter Zugang zur Primärversorgung zu einer geringeren Inanspruchnahme von Notaufnahmen führt“, erklärt Dr. Patrick Heiler, Principal Consultant Healthcare Transformation Services bei Philips DACH. Doch selbst wenn Hausärzte schnell und einfach zur Verfügung stehen, heißt das nicht automatisch, dass sie bei gesundheitlichen Problemen auch die erste Anlaufstelle sind. „Indem wir die Beweggründe und Einflussfaktoren für die Nutzung von Notaufnahmen weltweit untersuchen, gewinnen wir wertvolle neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung“, so Heiler.
Darum mögen die Deutschen Notaufnahmen
Im vergangenen Jahr hatten Forscher der Charité-Universitätsmedizin Berlin dazu bereits eine Befragung durchgeführt. Die Beweggründe der Patienten waren demnach schwer verfügbare Haus- und Facharzttermine, Zeitautonomie, die qualitativ hochwertige Versorgung sowie die Möglichkeit multidisziplinärer Untersuchungen während eines Aufenthalts. Darüber hinaus wurde auch die Empfehlung des niedergelassenen Arztes, eine Rettungsstelle aufzusuchen, angegeben.
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