Breitet sich SARS-CoV-2 bei trockener Raumluft stärker aus?

Trockene Raumluft: Im Winter könnte uns das Coronavirus wieder gefährlicher werden – Foto: ©zvonkodjuric - stock.adobe.com
Trockene Luft, wie sie vor allem während der Heizperiode in Innenräumen herrscht, könnte das Ansteckungsrisiko mit dem neuen Coronavirus erhöhen. Denn de Ausbreitung von SARS-CoV-2 über Aerosole wird offenbar auch von der Luftfeuchtigkeit beeinflusst. Das schließen Forscher des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig und des CSIR-National Physical Laboratory in New Delhi aus der Analyse von mehreren internationalen Studien zum Thema.
Die Wissenschaftler empfehlen daher neben den bisher üblichen Maßnahmen wie Abstand und Masken auch die Raumluft zu kontrollieren. Dies sei besonders wichtig für Innenräume mit vielen Menschen wie Krankenhäuser, Großraumbüros oder dem Öffentlichen Nahverkehr, so die Wissenschaftler im Fachjournal „Aerosol and Air Quality Research“. Eine relative Feuchte von 40 bis 60 Prozent könnte ihrer Meinung nach die Ausbreitung der Viren und die Aufnahme über die Nasenschleimhaut reduzieren.
Ansteckung trotz Mindestabstand: Aerosole sind Schuld
Als Hauptübertragungsweg für das neue Coronavirus SARS-CoV-2 galt lange Zeit der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch, wenn Infizierte durch Niesen oder Husten Sekret mit Viren abgeben und dieses von anderen Personen über die Nasenschleimhäute aufgenommen wird. Da diese Tropfen relativ groß und schwer sind, fallen sie schnell zu Boden und können nur sehr kurze Strecken in der Luft zurücklegen. Die Empfehlung einen Mindestabstand von 1,5 bis 2 Meter einzuhalten, basiert auf dieser Annahme.
In jüngerer Zeit wurden jedoch auch COVID-19-Ausbrüche registriert, die offenbar auf die gleichzeitige Anwesenheit vieler Personen in einem Raum zurückgehen, obwohl der Mindestabstand eingehalten wurde. Grund sind vermutlich winzige Tropfen von wenigen Mikrometern Durchmesser, die sogenannten Aerosolen, die länger in der Luft bleiben.
Ein Indisch-Deutsches Forscherteam weist jetzt auf einen weiteren Aspekt hin, der bisher wenig beachtet wurde und in der nächsten Grippesaison besonders wichtig werden könnte: die Luftfeuchtigkeit in Innenräumen. Sie werteten insgesamt 10 internationale Studien aus, die zwischen 2007 und 2020 den Einfluss der Luftfeuchtigkeit auf das Überleben, die Ausbreitung und Infektion mit den Erregern der Grippe und der Coronaviren SARS-CoV-1, MERS und SARS-CoV-2 untersucht haben.
Aerosole schweben länger in trockener Raumluft
Das Ergebnis: Die Luftfeuchte entscheidet, wieviel Wasser ein Partikel binden kann. Bei höherer Luftfeuchte verändert sich die Oberfläche der Partikel stark: Es bildet sich eine Art Wasserblase – also ein Mini-Ökosystem mit chemischen Reaktionen. Dabei wachsen die Tröpfchen auch schneller, fallen früher zu Boden und können weniger von Gesunden eingeatmet werden.
„Eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 40 Prozent in öffentlichen Gebäuden und im Nahverkehr würde daher nicht nur die Auswirkungen von COVID-19 reduzieren, sondern auch die von anderen Viruserkrankungen wie beispielsweise der saisonalen Grippe. Die Behörden sollten den Faktor Luftfeuchtigkeit in künftigen Richtlinien für Innenräume einarbeiten“, fordert Dr. Sumit Kumar Mishra vom CSIR - National Physical Laboratory in New Delhi.
Die neuen Erkenntnisse sind besonders für die kommende Wintersaison von Bedeutung, wenn sich auf der Nordhalbkugel Millionen Menschen in beheizten Räumen aufhalten werden. „Das Erwärmen der Frischluft sorgt auch dafür, dass diese trocknet. In kalten und gemäßigten Klimazonen herrscht daher in Innenräumen während der Heizsaison meist ein sehr trockenes Raumklima. Dies könnte die Ausbreitung der Coronaviren fördern“, warnt Prof. Alfred Wiedensohler vom TROPOS. „Außerdem werden bei trockener Luft auch die Nasenschleimhäute in unseren Nasen trockner und durchlässiger für Viren“, so Ajit Ahlawat aus Neu Delhi.