Apps auf Rezept: Halten sie, was sie versprechen?

Die App gegen Migräne gehört zu den in Deutschland am häufigsten verschriebenen Patienten-Apps. – Foto: TK
Wie gut werden „digitale Gesundheitsanwendungen“ (DiGA) von den Patienten angenommen, denen sie vom Arzt verschrieben wurden? Wie hilfreich sind sie? Was kosten sie – und sind sie ihr Geld wert? Der jetzt veröffentlichte DiGA-Report der Techniker Krankenkasse (TK) und der Universität Bielefeld zieht eine durchwachsene Bilanz.
Seit Oktober 2020 können Ärzte Apps auf Rezept verschreiben. Damit ist Deutschland weltweit das erste Land, in dem die Kosten für die digitalen Helfer durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. Allein bei der Techniker Krankenkasse (TK) sind bis Ende Dezember 2021 und damit gut eineinhalb Jahre nach dem Start 19.025 Verordnungen für digitale Gesundheitsanwendungen eingegangen.
Apps gegen Krankheiten – die Top drei:
Am häufigsten verschrieben wurden Apps der Studie zufolge gegen diese drei Krankheiten beziehungsweise Beschwerden:
- Rückenschmerzen (3.947)
- Tinnitus (3.450)
- Migräne (2.524).
Durchschnittsalter bei Gesundheits-App-Nutzern: 45 Jahre
Mit 66,5 Prozent liegt der Anteil der Frauen bei den DiGA-Nutzern der Studie zufolge deutlich höher als der der Männer. Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt, dass es auffallend weniger Verschreibungen bei den unter 30-Jährigen und den über 60-Jährigen gibt. Das Durchschnittsalter der DiGA-Nutzer liegt bei 45,5 Jahren. „Bei der Frage, wer die Apps verschrieben bekommt, spielt nicht das Alter eine Rolle, sondern die Erkrankungen", sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK). "Jüngeren werden die Apps seltener verschrieben, weil weniger von ihnen an den Krankheiten leiden, die die Apps therapieren."
Ärzte sind offenbar zurückhaltend bei Verordnung von Apps
Der Report zeigt, dass die Apps in den meisten Arztpraxen offenbar noch nicht angekommen sind. Lediglich vier Prozent aller Ärzte haben dem TK-Report zufolge bislang Rezepte für DiGA ausgestellt (7.000 von 180.000). „Auffällig ist, dass in Berlin – wo auch die meisten DiGA-Hersteller sitzen – die Verordnungsquote am höchsten ist“, heißt es in einer Mitteilung der Techniker Krankenkasse. Hier wurden 2.136 Rezepte ausgestellt, was einer Quote von 2,3 Rezepten pro 1.000 Versicherte entspricht.
Jeder dritte Patient sagt: App hat (eher) nicht geholfen
Die TK hat 244 Versicherte, die eine App verschrieben bekommen haben, zu Nutzung und Zufriedenheit befragt. Mit 84 Prozent gab die überwiegende Mehrheit an, ihre DiGA mindestens einmal pro Woche zu nutzen, davon 37 Prozent täglich. 10 Prozent gaben an, sich nur wenige Male im Monat einzuloggen. Lediglich sechs Prozent nutzten die App gar nicht. Bei der Zufriedenheit zeichnet sich ein gemischtes Bild ab: 19 Prozent der Befragten geben an, dass die App ihre Beschwerden gelindert hat. 43 Prozent stimmen eher zu, dass die App ihnen geholfen hat. 34 Prozent geben jedoch an, dass die DiGA ihnen nicht oder eher nicht geholfen hat.
Preis-Problem: Apps zum Teil teurer als die Behandlung beim Arzt
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft, welche Apps von den Krankenkassen übernommen werden können. Im ersten Zulassungsjahr können App-Anbieter die Preise frei bestimmen und müssen anschließend einen Nutzennachweis erbringen. Die TK betrachtet dies als problematisch, denn offenbar haben zumindest einige Hersteller die Preise anlässlich der Kostenübernahme durch die GKV empfindlich erhöht.
Aktueller Durchschnittspreis von Apps: 456 Euro
Der Techniker Krankenkasse zufolge lag der Durchschnittspreis der DiGA im Oktober 2020, also zu Beginn der „App auf Rezept“, bei 329 Euro. Inzwischen haben vier App-Hersteller die Preise im ersten Jahr noch einmal erhöht: Im März 2022 lag der Durchschnittspreis bereits bei 456 Euro. Die TK spricht von „unverhältnismäßigen“ bis „unfairen“ Preisen. Zum Teil kosteten digitale Anwendungen mehr als eine analoge und persönliche Behandlung durch den Arzt in der Praxis – und dies, obwohl der Nutzennachweis für das erste Jahr immer noch ausstehe.