AOK-Studie zur Gesundheit von Flüchtlingen: Das Trauma bleibt

Dreiviertel der geflüchteten Syrer, Iraker und Afghanen haben Gewalt erlebt. Das bleibt nicht ohne Folgen – Foto: ©Photocreatief - stock.adobe.com
Die größte Gruppe der nach Deutschland Geflüchteten kommt aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Mehr als drei Viertel von ihnen haben Gewalt erlebt und sind dadurch oft mehrfach traumatisiert. So bringen 60 Prozent der Flüchtlinge aus diesen drei Ländern Kriegserlebnisse mit, 40 Prozent haben Waffengewalt in unmittelbarer Nähe erlebt und bei jedem dritten sind Angehörige verschleppt worden oder verschwunden. Nur 22 Prozent haben keine traumatischen Erfahrungen gemacht.
Das geht aus einer Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor, die auch nach den Auswirkungen auf den Gesundheitszustand fragte. Erwartungsgemäß zeigt sich, dass traumatische Erlebnisse seelische und körperliche Spuren hinterlassen.
Bedrückendes im Gepäck
Mehr als 40 Prozent geben vor allem psychische Beschwerden wie Mutlosigkeit, Traurigkeit, Bedrückung an, fast ebenso viele berichten über Nervosität und Unruhe. Mehr als jeder dritte klagt über körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen. Im Vergleich zu Geflüchteten, denen traumatische Erlebnisse erspart geblieben sind, treten die Beschwerden bei den traumatisierten doppelt so häufig auf.
"Die von einer Mehrzahl der Geflüchteten im Herkunftsland oder auf der Flucht gemachten Erfahrungen von Krieg und Gewalt haben einen direkten Einfluss auf die Gesundheit, vor allem auf die Psyche“, sagt Studienautor Klaus Zok vom Wido. Auch die subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands sei deutlich schlechter als im Vergleich zur deutschen Wohnbevölkerung, obwohl die Geflüchteten seltener an chronischen Krankheiten litten.
Jung, aber nicht fit
Chronische Erkrankungen sind unter Flüchtlingen deshalb seltener, weil die Mehrzahl noch jung ist. Das Durchschnittsalter liegt bei 32, 7 Jahren. Dass sich die Schutzsuchenden dennoch kränker betrachten, liegt laut Mitautor Helmut Schröder an den Lebensumständen: So könnten Ängste und Sorgen angesichts der Situation in der Heimat, räumliche Enge, belastende Lautstärke und mangelnde Privatsphäre in den Erstaufnahmeeinrichtungen, der Alltag in den Flüchtlingsunterkünften, der oft von Langeweile geprägt ist, oder die Unwissenheit über die eigene Zukunftsperspektive die subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands negativ beeinflussen.
Hilfe dringend nötig
Mit der Untersuchung will die AOK die bislang lückenhaften Erkenntnisse über die gesundheitliche Situation von Geflüchteten in Deutschland erweitern. Dies sei wichtig, um den Schutzsuchenden angemessen zu helfen. Die Autoren fordern einen umfassenden Zugang zu medizinischer Versorgung vom ersten Tag an, insbesondere müsse eine Traumabehandlung angeboten werden. Um Sprachbarrieren zu überbrücken, wird vorgeschlagen, geflüchtete Ärzte und Psychotherapeuten möglichst gezielt ins deutsche Gesundheitssystem einzugliedern. „Ihre Hilfe ist für geflüchtete Patienten möglicherweise besonders akzeptabel, da sie aus den gleichen Sprachräumen und Kulturkreisen kommen“, meint Schröder. Weiter werden passende Unterkünfte, sinngebender Beschäftigungen und Freizeitangebote sowie ein niedrigschwelliger Zugang zum Gesundheitssystem gefordert. All das könnte bei der Bewältigung der psychischen Probleme helfen. Dies wiederum sei Voraussetzung für eine Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.
Für die Untersuchung wurden 2.021 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan befragt, die mindestens 18 Jahre alt waren, erst bis zu zwei Jahre in Deutschland und noch in Aufnahmeeinrichtungen lebten. Der Anteil der Männer betrug 67,1 Prozent. Nur 19 Prozent hatten eine Schule oder eine Universität besucht.
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