AOK sieht Terminservice- und Versorgungsgesetz skeptisch

Kritik am Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Wo kein Arzt ist, ist auch kein schneller Termin
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Patienten einen schnelleren Termin beim Arzt garantieren. Dafür werden niedergelassene Ärzte im kommenden Jahr unter anderem verpflichten, künftig 25 Sprechstunden für Kassenpatienten freizuhalten. Bislang waren es 20 Stunden pro Woche. Außerdem müssen bestimmte Facharztgruppen wie konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte mindestens fünf Stunden als offene Sprechstunde, das heißt ohne vorherige Terminvereinbarung anbieten. Weiter sollen die Aufgaben der Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen erweitert werden. Dafür sieht der Gesetzentwurf eine extrabudgetäre, teilweise höhere Vergütung vor.
Erst schließt der Tante Emma-Laden, dann geht der Doktor
„Wir werden dafür zwar 600 Millionen Euro zusätzlich ausgeben müssen, bessere Versorgung ist dadurch aber längst nicht garantiert“, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Martin Litsch im Interview mit der "Bild" am 27. Dezember. Der Kassenchef sieht das Vorhaben vor allem im ländlichen Raum skeptisch. "Erst schließt der Tante-Emma-Laden, dann die Apotheke, dann geht der Doktor“, sagte Litsch. „Dieses Problem haben wir noch nicht gelöst.“
Sein Vorschlag: Mehr Versorgungszentren und Tele-Medizin. Hier müsse man viel aktiver werden und mehr Mut bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens haben. Video-Sprechstunden müssten künftig Alltag sein. Dafür sollten die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, erklärte Litsch in der Bild. „Natürlich müssen sich Arzt und Patient persönlich kennen. Aber sie müssen sich nicht für jedes Gespräch persönlich sehen."
Kritik an geringer Spezialisierung der Krankenhäuser
Litsch kritisierte außerdem Qualitätsmängel in der Kliniklandschaft und verwies in diesem Zusammenhang auf den Qualitätsmonitor 2019, der Schwächen in der Versorgung Frühgeborener sowie in der Behandlung von Krebs- und Herzpatienten aufzeigt. Auch der Krankenhaus-Report 2018 der AOK hatte strukturelle Mängel offengelegt.
"Wir haben zu viele Krankenhäuser, zu viele Betten, zu wenig Spezialisierung. Jeder macht alles. Und es fehlt an Durchsetzungskraft, das zu ändern.“ Seiner Ansicht könnte rund ein Viertel der knapp 2.000 Krankenhäuser in Deutschland geschlossen werden, ohne dass ein Versorgungsnotstand ausbricht. „Nehmen Sie das Ruhrgebiet: Da gibt es an jeder Straßenecke ein Krankenhaus“, sagte Litsch. „Wenn Sie da eine Klinik schließen, bedeutet das für niemanden weitere Wege.“ Wenn jemand eine schwere Krankheit habe, dann nehme er auch einen weiteren Weg in Kauf, um zu einem Spezialisten zu kommen. „Die Menschen wollen schließlich eine gute Behandlungs-Qualität.“
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