Antibiotikaresistenzen: Ausbreitung schneller als bisher angenommen

An Experimenten mit Fischen konnten Forscher zeigen, dass sich Antibiotikaresistenzen sehr viel schneller ausbreiten als bisher angenommen – Foto: ©grooveriderz - stock.adobe.com
Seit ihrer Entdeckung gehören Antibiotika zu den wichtigsten Waffen gegen bakterielle Infektionen, insbesondere, wenn diese lebensbedrohlich sind. Doch häufig werden sie ohne wirklichen Grund verschrieben oder unsachgemäß eingenommen. Auch in der Tierzucht kommen Antibiotika massenhaft zur Anwendung. Die Folge: Antibiotikaresistenzen werden zu einem immer größeren Problem im Gesundheitswesen. Nun wurde festgestellt, dass die Mechanismen der Resistenzübertragungen zwischen verschiedenen Bakterien vielfältiger sind als bisher angenommen. Dies konnten Forscher des Helmholtz Zentrums München, der Universität Kopenhagen und der Universität im brasilianischen Campinas am Beispiel von Fischen aus Aquakultur zeigen. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Fachmagazin „Microbiome“.
Antibiotikaresistenzen nehmen immer weiter zu
„In den letzten 70 Jahren hat der Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin stetig zugenommen und zu einem dramatischen Anstieg von resistenten Mikroorganismen geführt“, sagt Prof. Dr. Michael Schloter, Leiter der Abteilung Vergleichende Mikrobiomanalysen (COMI) am Helmholtz Zentrum München. Besonders dramatisch sei, dass viele Mikroorganismen nicht nur gegen ein Antibiotikum resistent sind, sondern gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen. Das erschwere insbesondere die Behandlung von Infektionskrankheiten, so der Wissenschaftler, der federführend an der aktuellen Studie beteiligt war. „Wir wollten nun herausfinden, welche Mechanismen der Resistenzentwicklung zugrunde liegen“, so Schloter.
Bakterien tauschen Resistenzen untereinander aus
Schloter und sein Team sowie Wissenschaftler um Gisle Vestergaard (Universität Kopenhagen und Helmholtz Zentrum München) untersuchten Fische aus einer Aquakultur: Konkret ging es dabei um Piaractus mesopotamicus, eine als Pacu bekannte Fischart aus Südamerika, die oft in Aquakulturen gehalten wird. Die Tiere bekamen über 34 Tage das Antibiotikum Florfenicol mit der Nahrung, währenddessen und danach nahmen die Wissenschaftler Proben aus dem Verdauungstrakt und suchten nach entsprechenden genetischen Veränderungen bei den dort ansässigen Bakterien.
„Wie erwartet führte die Gabe des Antibiotikums zu einer Zunahme der Gene, die für entsprechende Resistenzen verantwortlich sind“, erklärt COMI-Doktorand Johan Sebastian Sáenz Medina, Erstautor der Arbeit. „Ein Beispiel sind etwa Gene für Pumpenproteine, die den Wirkstoff einfach wieder aus den Bakterien heraus transportieren. Besonders interessant war für uns aber auch die zunehmende Zahl sogenannter mobiler genetischer Elemente in der Nähe dieser Resistenz-Gene“, ergänzt Sáenz Medina. „Das ließ vermuten, dass die Bakterien Resistenzen auch durch Viren – sogenannte Phagen - und Transposons untereinander austauschen.“
Resistenzgene werden an anderen Stellen eingefügt
Weitere Untersuchungen bestätigten, dass diese mobilen genetischen Elemente quer durch das Genom springen, dabei Teile des Erbguts mitreißen - darunter auch die Resistenzgene - und andernorts wieder einfügen. Bisher war man davon ausgegangen, dass vor allem sogenannte Plasmide (leicht übertragbare "Mini-Chromosomen") für den Austausch von Resistenzgenen verantwortlich sind.
„Die Erkenntnis, dass die Resistenzen auch abseits von Plasmiden im großen Umfang zwischen Bakterien übertragen werden, ist durchaus überraschend“, erklärt Schloter. „Darauf aufbauend sollten entsprechende Ausbreitungsmodelle überprüft und angepasst werden. Zudem regen unsere Daten durchaus zum Nachdenken an, ob und in welchem Umfang man die weltweit zunehmende Anzahl von Aquakulturen mit Antibiotika betreiben sollte.“
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