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1,5 Millionen Menschen süchtig nach Tabletten

Samstag, 1. April 2017 – Autor:
Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind süchtig nach Medikamenten. Die Arzneimittelabhängigkeit ist nach dem Rauchen die zweithäufigste Sucht.
Arzneimittel sind die Droge Nummer zwei in Deutschland

Arzneimittel sind die Droge Nummer zwei in Deutschland – Foto: ghazii - Fotolia

Schmerzmittel, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Benzodiazepine oder die so genannten Z-Substanzen Zolpidem, Zopiclon und Zaleplon: Etwa vier bis fünf Prozent aller rezeptpflichtigen Medikamente können abhängig machen. Doch auch unter den freiverkäuflichen Medikamenten sind solche mit Suchtpotenzial. Abführmittel und Nasensprays zum Beispiel.

Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sollen abhängig von Medikamenten sein. Wenig bekannt: Nach dem Rauchen ist die Medikamentenabhängigkeit hierzulande die zweithäufigste Sucht. Laut Göran Donner, Vizepräsident und Pressesprecher der Sächsischen Landesapothekerkammer, sind vor allem ältere Frauen betroffen. Aber auch Menschen, die in Beruf oder Freizeitsport mehr leisten wollen, tappten leicht in die Falle der Abhängigkeit. „Arzneimittel werden von diesen Menschen fälschlich als ‚Konsumgut‘ und Problemlöser im Alltag betrachtet“, sagt Donner. „Es fehlt das Bewusstsein, wie schnell Medikamente abhängig machen können.“

Kontrollverlust wie bei anderen Drogen

Genau wie die Sucht nach einer Droge oder Zigaretten zeigen Medikamentenabhängige die "klassischen“ Suchtsymptome: Zwanghaftes Verlangen nach der Substanz, allmähliche Dosissteigerung und Verlust der Kontrolle über den Konsum. „Dazu gehört auch, dass man wider besseren Wissens weitermacht – und natürlich Entzugserscheinungen“, sagt Donner. Das könnten etwa Konzentrations- oder Schlafstörungen, Gereiztheit, Unruhe, Gliederschmerzen oder Stimmungsschwankungen sein.

Vieles dabei erfolgt unbewusst. „Oft wird die Abhängigkeit nur durch Zufall entdeckt, etwa, wenn im Urlaub ein gewohntes Mittel nicht verfügbar ist und es zu den genannten Beschwerden kommt“, weiß Apotheker Donner. In einem vertraulichen Gespräch mit dem Arzt oder Apotheker lasse sich klären, ob ein Abhängigkeitsverhältnis vorliege. Die Entwöhnung solle dann nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Wichtig sei auch das Problem zu erkennen, das zur Anwendung des Präparats geführt habe. Nur wenn dieses gelöst sei, könne der Entzug dauerhaft gelingen, meint der Experte.

Körper und Psyche gewöhnen sich

Ein Gewöhnungseffekt des Körpers ist immer der Grund, warum die Menschen abhängig von Medikamenten werden. Auch braucht der Körper immer mehr Nachschub, um dieselbe Wirkung zu bekommen. Experten sprechen von einer Niedrigdosisabhängigkeit. Laut Donner bleibt es bei den meisten Betroffenen dabei. „In dieser Phase sind sich die Patienten ihres Problems häufig gar nicht bewusst. Weil die Dosis gleich bleibt oder nur geringfügig erhöht wird, glauben sie, alles unter Kontrolle zu haben.“ Doch dies sei ein Trugschluss. Abführmittel stellen nach Donner einen Sonderfall dar. Anders als Schmerzmittel wirkten sie zwar nicht auf die Psyche, machten aber bei langfristiger Anwendung den Darm träge – und damit ebenfalls immer mehr „Nachschub“ nötig.

Foto: © ghazii - Fotolia.com

Hauptkategorien: Gesundheitspolitik , Medizin
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