Woher kommen Depressionen?

Novemberwetter – zu jeder Jahreszeit: Das sind Depressionen. Mehr als fünf Millionen Deutsche erleben pro Kalenderjahr depressive Episoden. – Foto: AdobeStock/Tatiana Morozova
Wenn man sich beim Skifahren den Arm oder das Bein bricht, versteht das jeder. Ursache: Skifahren. Behandlung: kurz ins Krankenhaus, erst Röntgenbild, dann Gips. Krankheit auskuriert: nach sechs bis acht Wochen, sofern die Fraktur glatt und unkompliziert ist. Selbst beim unsichtbaren Coronavirus mit Covid-19 ist nach spätestens zehn Tagen häuslicher Quarantäne alles vorbei. Das weiß auch jeder. Und Depressionen? Sie sind weder sichtbar noch mechanisch behandelbar noch können Patienten darauf setzen, dass irgendjemand das versteht. Trotzdem sind sie da. Aber woher kommen sie?
„Anders als bei einem gebrochenen Arm beispielsweise kann man eine Depression meist nicht auf eine einzige Ursache oder einen einzigen Auslöser zurückführen“, heißt es in einer Patienteninformation der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Leipzig. „Vielmehr entwickelt sie sich aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher Einflüsse (Faktoren).“ Zum einen kann eine persönliche Veranlagung dafür sorgen, dass das Risiko, depressiv zu erkranken, erhöht ist. Zum anderen können Auslösefaktoren aus der Lebenssituation eine Rolle spielen. Oder beides.
Depression: „Ist das eine körperliche oder seelische Erkrankung?“
Die beiden Bereiche schließen sich laut Depressionshilfe nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr. Das bedeutet, dass eine Depression nicht entweder körperliche (neurobiologische) oder psychosoziale Ursachen hat, sondern vielmehr immer auf beiden Seiten nach Ursachen gesucht werden muss – aber auch therapeutisch interveniert werden kann. „Oft wird von Betroffenen die Frage gestellt, ob Depression eine körperliche oder seelische Erkrankung ist“, berichten die Experten der Leipziger Stiftung. „Wie bei einer Medaille kann man bei jedem depressiv Erkrankten zwei Seiten betrachten: die psychosoziale Seite und die neurobiologische Seite.“
Neurobiologische Ursachen von Depressionen
In diesem Fall erhöhen zum Beispiel genetische Faktoren die Anfälligkeit, an einer Depression zu erkranken. Ein Auslöser dafür können etwa Veränderungen im Haushalt der Stresshormone sein: Ein Ungleichgewicht von Botenstoffen in bestimmten Hirnregionen führt hier zu den depressiven Zuständen. Als Standardtherapie gilt in derlei Fällen eine medikamentöse Behandlung.
Psychosoziale Ursachen von Depressionen
Hier führen beispielsweise traumatische Erlebnisse (oft in jungen Lebensjahren) zu einer Anfälligkeit gegenüber Depressionen. Auslöser können etwa der Verlust nahestehender Menschen durch Tod oder Trennung sein, Missbrauchserfahrungen, Versagenserlebnisse, Arbeitslosigkeit oder chronische Überlastung. Paradoxerweise (und ungerechterweise) können selbst positive Lebensveränderungen (ein Wohnungswechsel oder eine bestandene Prüfung) Auslöser einer depressiven Episode sein. Depressive Episoden können aber auch ohne erkennbare äußere Auslöser auftreten.
Dies führt zu Zuständen der Freudlosigkeit, Hilfs-, Sinn- und Hoffnungslosigkeit, die sich für Betroffene ungleich bedrohlicher anfühlen als eine gesunde Traurigkeit, die zum Leben passt – und auf natürliche Art und Weise wieder verfliegt, wenn sie ihre Zeit hatte oder sich Lebensumstände wieder verbessern. Mittel der Wahl zur Behandlung dieser Form von depressiven Episoden ist meist eine ambulante Psychotherapie. In schwereren Fällen oder bei Chronifizierung kann auch eine stationäre Behandlung nötig und hilfreich sein.
Depression: Frauen doppelt oft betroffen wie Männer
Depressionen gehören nach Einschätzung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Die Schauspielerin Silvia Seidel, die als als Balletttänzerin „Anna" ein Kinderstar war und sich mit 42 Jahren das Leben nahm, sagte einmal: Depressionen seien „Krebs an der Seele“.
Die Krankheit Depression kann jeden treffen. Insgesamt erkranken in Deutschland circa 5,3 Millionen Menschen im Laufe eines Jahres an einer behandlungsbedürftigen, unipolaren Depression. Frauen sind demnach doppelt so häufig betroffen wie Männer. Auch Kinder und ältere Menschen können daran erkranken, ebenso wie Menschen im Beruf oder Frauen während und nach der Schwangerschaft. Das Spektrum reicht von leichten, saisonal auftretenden Depressionen bis hin zu schweren Depressionen, die von Hoffnungslosigkeit und Suizidalität begleitet sein können.