Weichmacher: Alarmierende Werte bei Kindern und Schwangeren

Weichmacher
Umweltchemikalien geraten immer stärker ins Visier von Medizinern, insbesondere von Endokrinologen, den Spezialisten für den Hormonhaushalt. Eine Gruppe der besonders kritischen chemischen Verbindungen sind die Phtalate, Weichmacher, die hauptsächlich PVC-Kunststoffen zugesetzt werden und die den menschlichen Hormonhaushalt, aber auch andere Stoffwechselvorgänge beeinflussen können. Man findet sie in Folien zum Abdichten und Dämmen, in Bodenbelägen, Kabeln, im Spielzeug, in Kosmetika und Plastikdosen. Auch in Produkten des Medizinbetriebs wie Schläuchen, Handschuhen und Sauerstoffmasken sind sie vorhanden.
Weichmacher im Organismus
Entscheidend für die Belastung des Organismus sind dabei nicht die Einzelkonzentrationen in bestimmten Stoffgruppen, wie der Chemiker Holger Koch auf dem Jahreskongress der Endokrinologen in Mannheim im März 2012 erklärte. Koch, der am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung an der Ruhr-Universität in Bochum arbeitet, betonte, dass es auf die Summe aller Belastungen ankomme, die sich nur durch einen Blut- oder Urintest bestimmen liesse. Denn es könne sein, dass einzelne Substanzen zwar unterhalb der erlaubten Grenzwerte liegen, dass sie in ihrer Summe aber einen schädlichen Effekt auf den Hormonstatus des Menschen haben. Bei einer Untersuchung an elf Schulen in Deutschland zeigte sich, dass bei 24 Prozent der Fünf- bis Sechsjährigen die zulässige Höchstbelastung überschritten wurde. In den Vereinigten Staaten offenbarte eine Studie an schwangeren Frauen ebenfalls alarmierende Werte. Koch betonte, nach diesen Ergebnissen müsse die Verwendung von Phtalaten noch viel kritischer betrachtet werden als bisher.
Auswirkungen auf den Hormonhaushalt
Durch Phtalate kann es besonders bei Ungeborenen zu schädlichen Auswirkungen kommen. Sie unterdrücken die Produktion von Testosteron und können bei der sexuellen Reifung zum sogenannten Phtalatsyndrom führen, einer Entmännlichung, die mit Missbildungen der äusseren Genitalien, Hodenhochstand und Einschränkungen der Fruchtbarkeit einhergeht. Bewiesen ist dieser Zusammenhang allerdings nur im Tierversuch bei männlichen Ratten. Beim Menschen wird zwar seit einigen Jahren eine Zunahme des Testikulären Dysgenesie-Syndroms beobachtet, das grosse Ähnlichkeit mit dem Phtalatsyndrom hat, aber ein lückenloser Beweis für einen Zusammenhang mit der steigenden Belastung durch Umweltchemikalien liegt bei Menschen bisher nicht vor.
Mittlerweile sind vier verschiedene Phtalate in Kinderspielzeug und Kosmetika verboten, doch ständig tauchen neue Arten dieser Stoffgruppe auf, deren Risikopotenziale noch gar nicht erforscht sind. Einige Firmen scheinen sich jedoch der Problematik bewusst zu werden und werben damit, dass in den von ihnen verwendeten Kunststoffen keine Phtalate vorkommen. Auf der Homepage des Umweltbundesamtes finden sich eine Darstellung der Problematik und eine Auflistung von Produkten, die ohne Phtalate hergestellt werden.