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Übertriebene Selbstoptimierung macht krank – Achtsamkeit hilft

Sonntag, 29. Mai 2022 – Autor:
Viele Menschen optimieren sich und ihr Leben bis hin zur Perfektion. Und doch treten die erhofften Wirkungen wie Entspannung oder mehr Lebensqualität oft nicht ein. Mehr noch: Selbstoptimierung erzeugt Stress – und der macht krank. Achtsamkeitsübungen können ein Ausweg sein.
Frau sitzt entspannt am Strand und lässt meditativ Sand aus ihren Fingern rieseln.

Bewusst nichts tun und ohne Bewertung (und Abwertung) in den Moment hineinspüren und zu sich selbst: Achtsamkeitsübungen können ein Weg aus der Stressfalle bei Überoptimierung sein. – Foto: Oberberg Kliniken/Wolfgang Stahr

Jeder Tag ist optimal strukturiert. Für jeden freien Zeit-Slot gibt es inzwischen eine App. Selbst die Me-time, die Zeit für sich selbst, die der Regeneration dienen soll, ist optimal durchgetaktet. Selbst kleinen Pausen werden mit neuen Aufgaben gefüllt. Das Bedürfnis dahinter: mit den anderen mithalten können. Doch wer sich in dieser Mühle verliert, geht ein gesundheitliches Risiko ein. „Durch diese ständige innere Getriebenheit entsteht häufig ein mehr oder weniger diffuses Gefühl von gestresst sein", sagt Petra Meibert, Diplom-Psychologin bei der Oberberg-Tagesklinik Essen. „Besteht dauerhaft Stress, kann das krank machen. Diabetes, Magengeschwüre oder Herzrhythmusstörungen können Folgen sein.“

Man optimiert sich für die Zukunft – und übersieht das Hier und Jetzt

„Das alles geschieht vor dem Hintergrund des Wunsches, sich mit den Mitmenschen verbunden zu fühlen – eines der wichtigsten Motive und Bedürfnisse des Menschen“, sagt Psychologin Meibert weiter. Doch anstatt Zugehörigkeit zu erleben, entwickelten Menschen häufig ein Gefühl der Entfremdung. Der Mechanismus hinter dieser Absurdität: Statt die Nähe zu den Mitmenschen im Moment bewusst zu erleben, beschäftigen sich viele Menschen eher mit der abstrakten Planung einer imaginären Zukunft.

Die Gegenwart wird genutzt, um sich auf etwas in der Ferne Liegendes optimal vorzubereiten. So werden zum Beispiel To-do-Listen abgearbeitet und Sport gemacht, um fitter zu werden und somit die Arbeitsbelastung besser stemmen zu können, oder um attraktiver zu sein, um bei der Partnerwahl besser dazustehen. Hinter jeder Handlung steht eine „Um-zu"-Haltung. Darüber aber können der Moment, das Hier und Jetzt, sowie die Menschen, die darin vorkommen, leicht übersehen werden.

Triebfeder für Überoptimierung: Das Gefühl, nicht gut genug zu sein

Neben den bereits beschriebenen körperlichen Erkrankungen können sich aber auch psychische entwickeln: Depression zum Beispiel oder Angsterkrankungen. „Das kann damit zusammenhängen, dass durch diese Optimierungsversuche ein darunter liegendes Gefühl des Nicht-Gut-Genug-Seins kompensiert werden soll“, heißt es in einer Patienteninformation der Oberberg-Kliniken. „Dies gelingt aber in vielen Fällen nicht oder nur bedingt, wodurch das Gefühl, es nicht geschafft zu haben, verstärkt wird. Dies hat dann noch mehr Anstrengung, es besser zu machen, zur Folge – und führt in einen dysfunktionalen Teufelskreis.“

Mit achtsamkeitsbasierten Therapien gegen den Optimierungsstress

„Achtsamkeitsbasierte Ansätze bieten eine Alternative zu diesem ziel- und optimierungsorientierten Sein in der Welt“, lautet die Empfehlung der Klinikgruppe Oberberg, die bundesweit mehr als 20 Fach- und Tageskliniken für psychische Erkrankungen unterhält. Durch die Schulung von Achtsamkeit lernen Patienten, ihr Stresslevel erfolgreich zu senken. Im Fokus steht dabei, bewusst wahrzunehmen, was im gegenwärtigen Moment ist, ohne darüber zu urteilen. Dies führt dazu, dass die dysfunktionalen Muster besser erkannt und durch eine bewusste Entscheidung ersetzt werden können. Langfristig soll auf diesem Weg die mentale Widerstandsfähigkeit (Resilienz) gestärkt werden und eine frühe Abgrenzung zu Stress und Überforderung stattfinden.

Beispiele für achtsamkeitsbasierte Verfahren

Achtsamkeitsbasierte Verfahren und achtsamkeitsbasierte Psychotherapiekonzepte können Menschen helfen, die bereits erkrankt sind oder Gefahr laufen, aufgrund von andauerndem Stress zu erkranken. Hier einige Beispiele:

  • Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR)
  • Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT)
  • Mindfulness-based Relapse Prevention (MBRP).

Die Übung für zu Hause: Ruhe finden mit dem „Body Scan"

Eine Übung, die gut zu Hause praktiziert werden kann und die die Achtsamkeit schult, ist der sogenannte Body Scan. Dabei geht es darum, das Körperbewusstsein zu verbessern. In der Übung geht man mit der Aufmerksamkeit im Sitzen oder Liegen bewusst durch den Körper und erforscht dort die Empfindungen. Jedes Körperteil wird über eine bestimmte Zeit – Sekunden bis Minuten – aufmerksam wahrgenommen. Auch die Atmung oder der Herzschlag können bewusst empfunden werden – immer mit einer offenen und zugewandten Haltung. Jeder Gedanke, jede Emotion, jede Regung ist willkommen, wird bewusst wahrgenommen, aber nicht festgehalten. Der Körper und alle seine Regungen werden in ihrer Gesamtheit erforscht.

Unruhe auflösen, ohne sie bekämpfen zu wollen

Gleichzeitig lernt man in der Übung aber auch, wie man mit Unruhe umgeht, ohne sie sofort zu bekämpfen, was noch mehr Unruhe hervorrufen würde. Häufig empfinden Menschen am Ende des Body Scans eine tiefe Entspannung, der Körper fühlt sich warm an, die Gedanken beruhigen sich. Psychologin Meibert weiß: „Durch regelmäßiges Achtsamkeitstraining können Stress und seine möglichen negativen Folgen für Körper und Geist reduziert werden und für den Moment zu Entspannung und Zufriedenheit führen.“

Hauptkategorie: Medizin
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