Trotz Pandemie: Organtransplantationen finden in gewohntem Umfang statt

Organtransplantationen bergen offenbar kein erhöhtes Infektionsrisiko – Foto: ©Dan Race - stock.adobe.com
Während zahlreiche Operationen wegen der COVID-19-Pandemie verschoben wurden, fanden in Deutschland Organtransplantationen in gewohntem Umfang statt. Nach einer aktuellen Erhebung der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) ist es im Gegensatz zu nahezu allen anderen Europäischen Ländern zu keiner nennenswerten Abnahme der Transplantationszahlen in Deutschland gekommen. Auch nicht, als die SARS-CoV-2-Infektionszahlen von Mitte März bis Ende April auf einem Höchstniveau lagen. Im Durchschnitt war die Zahl der Transplantationen im März und April 2020 nur um 4,5 Prozent niedriger als im vergleichbaren Zeitraum 2019, wobei die Transplantationsrate von Organen verstorbener Spender sogar gleichgeblieben war. Lediglich einige planbare Transplantationen mit Lebendspenden sind der Erhebung zufolge verschoben worden.
Transplantationsprogramme wurden nicht gestoppt
„Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das System während der Pandemie versagt hätte und Patienten kein lebensrettendes Organ erhalten hätten“, erklärt DTG-Generalsekretär Professor Dr. Christian Hugo. Dass es nicht zu dieser Katastrophe gekommen sei, sei der Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems zu verdanken. „Das muss gewürdigt und positiv hervorgehoben werden.“
Die Studie zeigt außerdem, dass Transplantationen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie insgesamt nicht gefährlicher oder deutlich risikoreicher waren als sonst. So kam es zu keiner einzigen Ansteckung mit dem Coronavirus im Rahmen einer Transplantation. „Es gibt also keinen Grund, die Transplantationsprogramme zu stoppen, selbst wenn die Infektionszahlen wieder weiter ansteigen“, so Studienautor Hugo.
Organtransplantierte haben kein erhöhtes Infektionsrisiko
Und auch die Menschen, die mit einem Spenderorgan leben, hatten kein erhöhtes Infektionsrisiko. Im größten COVID-19-Register, dem LEOSS-Register, waren insgesamt bis Ende Mai nur 55 SARS-CoV-2-positive Organempfänger erfasst worden, von denen lediglich vier innerhalb von drei Monaten nach der Transplantation an COVID-19 erkrankt waren. „Das illustriert, dass eine Transplantation und die damit einhergehende Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten das Infektions- und Erkrankungsrisiko per se nicht erhöhen“, sagt Prof. Hugo. Einschränkend müsse allerdings gesagt werden muss, dass die transplantierten Patienten natürlich für das Risiko sensibilisiert wurden und die Hygiene- und Abstandsregeln sicher strikter befolgten als der Durchschnittsbürger.
„Wer jahrelang auf ein Organ wartet, dann endlich eins erhält und so dem Tod von der Schippe springt, setzt seine Gesundheit nicht leichtfertig aufs Spiel und tanzt auf Großhochzeiten. Insofern stellen unsere Patienten eine gewisse Positivselektion dar, die aber zeigt, dass mit den Hygieneempfehlungen ein effektiver Infektionsschutz zu erreichen ist“, erklärt Hugo.
Aus den Daten leitet der Transplantationsmediziner ab, dass Organtransplantierte zwar vorsichtig sein sollten, sich aber keine Sorgen machen müssten, dass das Risiko für einen schlechten COVID-19-Verlauf bei ihnen überproportional höher ist als bei Nicht-Transplantierten. Immunsuppression sei kein Risikofaktor für eine höhere Mortalität bei einer COVID-19-Erkrankung. Das habe gerade eine – noch unpublizierte – „Matched-Pair“-Vergleichsanalyse des Leoss-Registers gezeigt.
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