
Fehlerquelle Medikationspläne: Wechselwirkungen von Arzneimitteln werden übersehen – Foto: © Adobe Stock / Henrik Dolle
Die sogenannte Polymedikation bleibt ein Sorgenkind in der Versorgung. Gemeint ist, die Einnahme von mehreren Medikamenten am Tag. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA nehmen 7,6 Millionen Bundesbürger ab 65 Jahren täglich fünf oder mehr Arzneimittel ein. In der Altersgruppe zwischen 75 und 80 Jahren braucht jeder Dritte sogar mehr als acht Medikamente täglich. Dass es hier zu Wechselwirkungen kommen kann, liegt auf der Hand. „Wir haben bei polymedikamentierten Patienten echte Versorgungslücken. Teilweise bleiben Wechselwirkungen zwischen ihren Medikamenten unentdeckt“, sagt ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening.
Wegen unerwünschter Arzneimittelwirkungen im Krankenhaus
Und das kann beträchtliche Folgen haben. Bei älteren Menschen sind bis zu 30 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. „Meist stehen sie in Zusammenhang mit einer Polymedikation“, sagt Overwiening.
Woran das liegt? Medikationspläne, die eigentlich die Arzneimitteltherapie verbessern sollen, sind oft fehlerhaft. Manchmal haben Patienten nicht mal einen. „Und wenn sie einen haben, ist er oft weder vollständig noch korrekt. Vielfach stimmt der Plan nicht mit dem überein, was der Patient aktuell einnimmt“, berichtet die ABDA-Präsidentin.
Nur 6,5 Prozent der Medikationspläne stimmen mit der Realität überein
Eine Untersuchung aus Münster, die 500 Patienten mit Medikationsplan umfasste, hat ergeben: Nur 6,5 Prozent der allein vom Arzt erstellten Medikationspläne entsprachen der tatsächlichen Einnahmepraxis. Gründe für die Diskrepanzen sind unter anderem, dass die Namen verordneter Präparate oft nicht mit den aufgrund der Rabattverträge in der GKV abzugebenden Präparaten übereinstimmen. Teilweise werden Arzneimittel aufgeführt, die der Patient gar nicht mehr nimmt, oder es fehlen verschreibungsfreie Arzneimittel, die der Patient sich unabhängig vom Arzt besorgt.
Selbstmedikation nirgendwo erfasst
Eine Teillösung ist eventuell nächstes Jahr in Sicht. Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz will Apotheker stärker bei der Erstellung und Aktualisierung von Medikationsplänen einbinden. Die Apotheke sei oft die einzige Instanz, die einen vollständigen Überblick über die aktuelle Selbstmedikation eines Patienten habe, meint Overwiening. „Aber die vollständige Medikation des Patienten zu erfassen und auf Risiken zu überprüfen, ist aufwändig und geht weit über das ‚normale‘ Beratungsgespräch mit dem Patienten hinaus.“ Overwiening hofft nun, dass die Krankenkassen diese Leistung demnächst vergüten. Sicher ist das aber noch nicht.