Schweinefleisch: Jede zehnte Probe mit Hepatitis E verseucht

Delikatessleberwurst, Pfälzer Leberwurst, Gutsleberwurst: In diesen Produkten der Fleischindustrie fanden Forscher besonders oft Hepatitis-E-Erreger. – Foto: ©Floydine - stock.adobe.com
In Deutschland sind die gemeldeten Infektionen mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen. 2011 wurden 238 Fälle registriert, 2019 waren es 3.727 – fast 16-mal so viele. Im August lag die Zahl für das laufende Jahr bereits bei 2.280 bekannten Fällen. Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist eine Hauptursache der akuten Virushepatitis und kann bei bestimmten Patientengruppen Leberversagen auslösen. Übertragen wird der Erreger über rohes Fleisch und verunreinigtes Wasser.
Studienziel: HEV- Kontamination bei Schweinefleischprodukten
Um herauszufinden, ob und wie häufig kommerzielle Schweinefleischprodukte in Deutschland mit HEV kontaminiert sind und so das Infektionsrisiko abzuschätzen, haben Wissenschaftler des Instituts für Tropenmedizin der Universitätsklinikums Tübingen eine Nachweisstudie durchgeführt. Dafür untersuchten sie Schweinelebern und Schweinefleischprodukte auf Spuren der HEV-RNA. Das Biomolekül RNA (Ribonukleinsäure) ist bei bestimmten Virentypen der Träger der Erbinformation.
Im Hepatitis-Test: Leber, Leberwürste, Mettwürste
testeten die Forscher 131 Proben aus rohem und verarbeiteten Fleisch: Schweinelebern, streichfähige Leberwürste, Leberpasteten und rohe Mettwürste ohne Leber. Die auf HEV getesteten Fleischwarenproben stammten aus Geschäften in Tübingen, Reutlingen, Stuttgart und Dortmund. Hergestellt wurden sie überwiegend in West- und Südwestdeutschland, teils aber auch im europäischen Ausland (Polen, Österreich, Belgien und den Niederlanden).
„Da die Verteilung und Belastung durch Hepatitis E in Europa unterschiedlich ist, war das Ziel, die tatsächliche Prävalenz von HEV-kontaminiertem Fleisch zu bewerten und das Risiko von Exposition und Infektion abzuschätzen“, sagt Prof. Dr. Thirumalaisamy Velavan vom Tübinger Tropeninstitut. Deshalb hatten die Tübinger Wissenschaftler auch prominente Kooperationspartner hinter sich: das Robert-Koch-Institut, das Bundesinstitut für Risikobewertung und die Medizinische Hochschule Hannover (MHH).
HEV in Fleischprodukten in Deutschland „seit zehn Jahren sehr hoch“
Die unter Velavans Leitung durchgeführte Studie ergab: Mehr als zehn Prozent aller getesteten Proben waren mit dem HEV kontaminiert. Der Nachweis von HEV-Genom ist laut der Tübinger Studie in verarbeiteten Schweinefleischprodukten viel höher als in roher Schweineleber; die Proben der Schweinelebern weisen einen Anteil von fünf Prozent nach, bei Leberwürsten sind es 13 Prozent. „Nach Vergleichen mit früheren Studien deuten die Ergebnisse darauf hin, dass in Deutschland die Prävalenz von Hepatitis-E-Viren in Lebensmitteln mit Schweineleber seit zehn Jahren relativ unverändert und sehr hoch ist.“
Konsum tierischer Lebensmittel: Häufig mit Infektionsgefahr verbunden
Grundsätzlich können Tierprodukte wie Fleisch, Milch und Eier mit einer Vielzahl von Erregern belastet sein und eine Infektionsquelle darstellen. Vor allem Salmonellen, Campylobacter, Listerien sorgen immer wieder für Schlagzeilen.
Die Verseuchung mit HEV bedeutet nach Aussagen der Tübinger Wissenschaftler dabei nicht automatisch, dass die betroffenen Wurstwaren auch infektiös sind. So könne eine Erhitzung im Herstellungsprozess Viren inaktiv machen.
Fünf klassische Hepatitisviren
Die Gruppe der klassischen Hepatitisviren kann fünf verschiedene Formen der Hepatitis auslösen: die vom Typ A, B, C, D und E. Unabhängig davon kann Hepatitis durch eine Vielzahl weiterer Erreger hervorgerufen werden (Beispiel: Herpesviren), sowie durch bakterielle Erreger und Pilze. Sie kann aber auch Folge von Alkoholmissbrauch, Medikamenten- und Drogenkonsum oder Vergiftungen sein.
In Deutschland ist jede akute Virushepatitis nach dem Infektionsschutzgesetz eine meldepflichtige Krankheit. Hepatitis macht oft erst spät Beschwerden und bleibt daher häufig lange unentdeckt. Daher wissen Millionen Menschen nicht, dass sie von der übertragbaren Virusinfektion betroffen sind.
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