Rätselhafte Leiden: In Berlin gibt es ein Zentrum für Seltene Erkrankungen

Seltenen Erkrankungen sind in 80 Prozent der Fälle genetisch bedingt. Das Berliner Centrum für seltene Erkrankungen hilft bei der Spurensuche – Foto: © Adobe Stock/ N Felix/peopleimages.com
Kaum etwas ist schlimmer, als ernsthaft krank zu sein und keine Diagnose zu haben. Menschen mit einer Seltenen Erkrankung leben meist sehr lange in Ungewissheit. Im Schnitt dauert es fünf bis sieben Jahre, bis ihr Leiden endlich einen Namen bekommt. Nicht selten sind Zentren für Seltene Erkrankungen an der Diagnosefindung beteiligt. In Deutschland gibt es rund 31 solcher Zentren, die sich auf die Diagnostik und Behandlung seltener Leiden spezialisiert haben. Eines davon befindet sich an der Berliner Charité.
Anlaufstelle für Kinder und Erwachsene
Das Berliner Centrum für seltene Erkrankungen (BCSE) wurde 2011 als Anlaufstelle für Kinder und Erwachsene mit jahrelanger ungeklärter Diagnose oder einem Verdacht auf eine Seltene Erkrankung gegründet. Das Centrum ist jedoch keine Hochschulambulanz mit offenen Sprechstunden, sondern versteht sich als Koordinationsstelle – übernimmt als sogenanntes A-Zentrum eine Art Lotsenfunktion innerhalb der Berliner Universitätsmedizin.
Der Zugang erfolgt über ärztliche Zuweisung. Anhand der eingereichten Schilderungen und Vorbefunde versucht das Team, den unerklärlichen Leiden auf den Grund zu gehen. Dies geschieht in engem Austausch mit weiteren Spezialisten, insbesondere mit Ärzten und Ärztinnen aus den Bereichen Humangenetik, Endokrinologie und Psychosomatik. „Wir unterstützen Sie dabei, geeignete Ansprechperson für Ihre Krankheit zu finden und helfen bei der Diagnosestellung“, umschreibt das BSCE sein Angebot für Patienten. Jeder Fall werde einzeln aufgearbeitet und bei einer interdisziplinären Fallkonferenz vorgestellt, "sodass wir einen möglichst breiten Blick auf Ihren speziellen Fall erlangen“, heißt es auf der Internetseite weiter.
Europaweit vernetzt
Laut BSCE-Jahresbericht waren im Jahr 2020 13 sogenannte B-Fachzentren und 40 Fachdisziplinen in das Centrum eingebunden. Unter den B-Zentren befinden sich beispielsweise das Zentrum für Mukoviszidose, das Zentrum für Seltene rheumatische Erkrankungen oder das Zentrum für seltene pädiatrische Endokrinopathien. Diese hoch spezialisierten Zentren sowie die anderen Fachdisziplinen der Charité führen – im Gegensatz zur ersten Anlaufstelle BSCE – dann selbst auch diagnostische Maßnahmen durch und behandeln die Patienten gegebenenfalls weiter.
Über die B-Zentren ist das BSCE an 15 europäischen Netzwerken für seltene Erkrankungen (ERNs) beteiligt. Darüber hinaus ist es im Rahmen des Nationalen Aktionsplans NAMSE mit einem guten Dutzend weiterer A-Zentren im Bundesgebiet vernetzt.
Viele Patienten – lange Wartezeiten
Eine Krankheit gilt dann als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Da es jedoch mehr als 6.000 unterschiedliche Seltene Erkrankungen gibt, ist die Gesamtzahl der Betroffenen hoch. Allein in Deutschland leben schätzungsweise etwa vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung. Entsprechend groß ist die Nachfrage bei spezialisierten Zentren. Das Berliner Centrum für seltene Erkrankungen weist darum vorsorglich auf Wartezeiten von „einigen Wochen bis mehren Monaten“ hin.