
Dr. med. Dipl.oec. med. Colin M. Krüger
Herr Dr. Krüger, Sie haben gerade eine Gallenblase entfernt. Welche Operationsmethode haben Sie angewendet?
Krüger: Ich habe die Patientin mit der Single-Port-Methode operiert. Hierbei ist nur noch ein einziger etwa zwei Zentimeter langer Schnitt im Bauchnabel nötig. Über diesen einen Zugang werden die drei dafür notwendigen Instrumente - einschliesslich einer Kamera - eingeführt. Und schliesslich wird die Gallenblase über die kleine Öffnung auch geborgen.
Single-Port ist eine weitere Minimalisierung des Operationszugangs. Welche Vorteile hat diese neue Operationsmethode?
Krüger: Der entscheidende Vorteil dieser Methode besteht darin, dass wir kaum noch Gewebe zerstören müssen, um an das Organ zu gelangen. Das hat zur Folge, dass es noch geringere Wundflächen gibt und die Gefahr von Infektionen deutlich gemindert ist. Die Patienten sind nach einer solchen OP sofort wieder mobil und können in der Regel das Krankenhaus nach zwei bis drei Tagen wieder verlassen. Das wird auch bei dieser Patientin der Fall sein.
Diese Vorteile bietet die herkömmliche minimal-invasive Chirurgie aber auch?
Krüger: Das ist richtig. Letztlich geht es um den kosmetischen Effekt. Statt drei bis vier Zugänge zu legen, kommen wir beim Single-Port mit einem einzigen Zugang aus. Da wir den Schnitt im Bauchnabel machen, verbleibt später keine sichtbare Narbe. Nach wie vor ist aber die laparoskopische OP-Technik unter Verwendung von drei bis vier Zugängen bzw. Trokaren durch die Bauchdecke als das Standardvorgehen zur Durchführung von Cholezystektomien anzusehen.
Haben Sie mit der Patientin vor der Gallenblasenentfernung über das Operationsverfahren gesprochen?
Krüger: Selbstverständlich spreche ich mit all meinen Patienten über das operative Vorgehen. Ich verspreche aber niemals, dass es bei dem einen Schnitt bleiben wird. Sollte die Operation nämlich wider Erwarten schwierig werden, muss ich gegebenenfalls weitere Zugänge legen. Diese Tür muss ich mir immer offen halten - und darüber kläre ich meine Patienten im Vorfeld auf. Bei aller Bemühung um Minimalisierung und bestmögliches kosmetisches Ergebnis, steht die chirurgische Qualität und die operative Sicherheit für den Patienten im Vordergrund der Operation.
Ist es nicht schwieriger für Sie, nur noch über einen einzigen, winzigen Zugang zu operieren als über drei oder vier?
Krüger: Wenn ich nur einen Operationszugang habe, habe ich natürlich weniger Bewegungsfreiheit mit den Instrumenten. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass alle Instrumente im selben Winkel liegen. Das erfordert viel Erfahrung und ein gut aufeinander eingespieltes Team im OP. Alles in allem ist eine Single-Port-OP für den Operateur weitaus weniger komfortabel als die klassische Laparoskopie.
Dennoch operieren Sie seit etwa einem Jahr mit der Single-Port-Technik. Glauben Sie, dass diese Technik Zukunft hat?
Krüger: Auf jeden Fall. Der Wunsch nach einer weiteren Minimalisierung des Operationszugangs ist mindestens so alt wie die minimal-invasive Chirurgie selbst. Während sich das Operieren durch natürliche Körperöffnungen wie Vagina oder Magen (NOTES) nicht durchsetzen konnte, ist die Single-Port-Chirurgie, die ohne Zugangsläsionen an anderen Organen auskommt, eine Methode mit Zukunft.
Welche Operationen führen Sie ausser Gallenblasenentfernungen noch über einen einzigen minimal-invasiven Zugang durch?
Krüger: Mit der Single-Port-Technik entfernen wir den Blinddarm und führen Operationen am Magen, Eierstöcken und Gebärmutter durch. Und wir nutzen diese Methode auch, um Verwachsungen im Bauchraum zu entfernen. Wir haben auch erste Erfahrungen mit Operationen am Dickdarm über den Single-Port. Eine abschliessende Bewertung hierzu steht jedoch noch aus. Nicht alles was technisch möglich ist, ist auch medizinisch sinnvoll, dies muss immer im Auge des Chirurgen bleiben.
Neue Verfahren sind oft teurer. Ist das bei der Single-Port-Technik genauso?
Krüger: In der Tat kostet eine Single-Port-OP rund 600 Euro mehr als die klassische Laparoskopie. Das liegt an den teureren Instrumenten. Allein der Single-Port aus Schaumstoff kostet rund 350 Euro. Im Zeitalter der DRGs, wo wir nur noch ein fallbezogenes Entgelt erhalten, können wir gar nicht allen Patienten diese neue Methode anbieten. Das wäre viel zu teuer. Aber natürlich sind wir bestrebt, dieses minimal-invasive Verfahren so oft wie möglich anzuwenden.
Das heisst aber im Umkehrschluss, dass Sie Patienten das weniger traumatische Operationsverfahren vorenthalten müssen, weil es teurer ist?
Krüger: Die Single-Port-Chirurgie wird ein ganz neues Feld der Diskussion in der Chirurgie aufmachen. Wir stehen an einem Scheideweg zwischen technisch möglicher Chirurgie und medizinischer Bezahlbarkeit. Ähnlich wie heute schon beim Zahnarzt werden wir mehr und mehr Verfahren bekommen, die medizinisch gleich gute Qualität mit geringerem operativen Trauma bieten, für die der Patient künftig zuzahlen wird. Bereits heute haben Diskussionen bei Juristen begonnen, in wie weit es zulässig ist, den Patienten Methoden mit geringerem operativen Trauma auf Grund unzureichender gesundheitspolitischer Refinanzierbarkeit vorzuenthalten.