„Nimm einen Eiswürfel in die Hand“: Krisenchat von Kai Lanz erreicht Jugendliche in extremen Situationen

Krisenchat.de ist ein Angebot für Jugendliche, die schnell psychologischen Support brauchen – Foto: © Adobe Stock/ muse studio
„Wir haben gesehen, wir müssen was machen“, sagt Kai Lanz, 19 Jahre alt, Gründer von krisenchat.de. Die Probleme von Kindern und Jugendlichen hätten während der Lockdowns enorm zugenommen: Angststörungen, Panikattacken, selbstverletzendes Verhalten, häusliche Gewalt. „Bei uns geht es auch um extreme Fälle, Menschen, die kurz davor sind, Suizid zu begehen", erzählt er im Gespräch mit „Markus Lanz“ am 11. Februar.
200 ehrenamtliche Seelsorger auf WhatsApp aktiv
Krisenchat.de ist ein Angebot speziell für Kinder und Jugendliche unter 25 und wurde von Kai Lanz und weiteren Mitstreitern im ersten Corona-Lockdown gegründet. Mittlerweile ist es eine der erfolgreichsten Plattformen für psychologische Online-Hilfe in Deutschland. 200 ehrenamtliche Mitarbeiter aus den Bereichen Psychologie und Sozialarbeit bieten rund um die Uhr Seelsorge per Chat auf WhatsApp an. „Ein Krisentelefon ist nicht mehr der Weg“, sagt der Berliner Jungunternehmer und spricht dabei für seine Generation. „Junge Leute wollen chatten.“ Er fügt hinzu: „Krisen kennen keine Sprechzeiten.“
Bei Panikattacken gibt es bewährte Tricks
Eine typische Situation: Eine 15-jährige meldet sich, weil sie gerade einer Panikattacke hat. Die Berater versuchen zu herauszufinden, was ihr im Moment helfen könnte, welche Ressourcen sie nutzen könnte, damit es ihr wieder besser geht. Mach Atemübungen, nimm einen Eiswürfel in die Hand, sind Kai Lanz zufolge Dinge, die bei Panikattacken fast immer funktionieren. „Wir bekommen direktes Feedback, dass die Person sagt, mir geht es jetzt schon besser.“
Manchmal wird die Polizei eingeschaltet
Zunehmend geht es in den Chats auch um häusliche Gewalt. Darum kümmert sich ein spezielles Team für Kindeswohlgefährdung, zieht eventuell die Polizei oder das Jugendamt hinzu. Und klärt die Betroffen über ihre Rechte auf, was Eltern dürfen und was nicht.
Die Hälfte der Ratsuchenden hat noch nie mit jemandem über die eigenen Probleme geredet. Ein riesiges Dunkelfeld, findet Lanz. „Wenn die uns nicht schreiben würden, wären die nirgendwo angebunden.“
Doch so langsam kommt das ehrenamtliche Team an seine Belastungsgrenze. Allein am Wochenende vom 6./7 Februar sollen 1.500 Anfragen per WhatsApp eingegangen sein. „Wir sehen die Nachfrage, bekommen aber keinen Support von der Politik“, kritisiert der junge Mann. Es müsse endlich nicht nur über Probleme geredet, sondern auch gehandelt werden.
krisenchat.de kooperiert unter anderem mit der BARMER, der Kinderschutzstiftung Hänsel+Gretel, die GesundZusammen-Initiative und Mediapartnern wie Wall oder TLGG. Das Portal finanziert sich hauptsächlich über Spenden.