Multiresistenter Darmkeim auf dem Vormarsch

Auf der Suche nach multiresistenten Keimen – Foto: ©Blickfang - stock.adobe.com
Die Zunahme von Antibiotika-resistenten Bakterien führt besonders in Krankenhäusern zu schwer behandelbaren Infektionen. Häufiger Auslöser sind multiresistente Escherichia coli-Bakterien. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) an der Justus-Liebig-Universität Gießen untersuchten diese Bakterien genauer und fanden einen Escherichia coli-Stamm, der sich seit 2010 in Deutschland rasant ausbreitet und gleich gegen mehrere Antibiotika unempfindlich ist.
Escherichia coli, kurz E. coli genannt, gehört zu den Gram-negativen Enterobakterien, die vor allem im menschlichen Darm zu Hause sind. Einige Stämme können Infektionen auslösen, wenn sie in den übrigen Körper gelangen. Besonders bei geschwächten Patienten kann es zu Blutvergiftungen, Wundinfektionen oder Blasenentzündungen kommen.
Bakterien bilden Enzyme, die Antibiotika wirkungslos machen
Ihre Behandlung wird zunehmend schwerer, denn im Kampf gegen Antibiotika haben E. coli und andere Enterobakterien einen Abwehrmechanismus entwickelt: Sie bilden Enzyme aus, die Antibiotika unwirksam machen, die sogenannten Beta-Laktamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL). Durch ihren Mechanismus werden die bakteriellen Erreger multiresistent, heißt es weiter in einer Pressemitteilung des DZIF.
Die Gießener Wissenschaftler untersuchten in ihrer Studie insgesamt fast 1000 Isolate von ESBL-produzierenden Bakterien aus Mensch, Tier, Umwelt und Lebensmitteln. Sie gingen dabei im Sinne des One Health-Ansatzes vor, der nicht nur den Menschen, sondern auch seine Umwelt mit in die Untersuchungen einbezieht.
Multiresistenter Darmkeim auf dem Vormarsch
Dabei identifizierten sie gezielt die Gene für die Beta-Laktamasen und suchten nach einer Untergruppe, die in anderen Ländern bereits auf dem Vormarsch ist: Es handelt sich dabei um einen multiresistenten E. coli-Stamm vom Sequenztyp 131 (ST131), der weltweit für Millionen von Infektionen verantwortlich ist und der ein relativ seltenes ESBL-Gen trägt, nämlich blaCTX-M-27.
Die Suche war erfolgreich. Die Forscher fanden E. coli ST131 CTX-M27 - und zwar ausschließlich in menschlichem Material. Sie konnten nachweisen, dass die Häufigkeit dieses multiresistenten Darmkeims von 0 Prozent im Jahr 2009 auf 45 Prozent im Jahr 2016 gestiegen ist. „Damit macht dieser E. coli-Stamm mit seinem spezifischen ESBL-Gen einem E. coli ST131-Stamm Konkurrenz, der bisher in Deutschland am häufigsten nachgewiesen wurde und ein anderes ESBL-Gen trägt“, erklärt Dr. Can Imirzalioglu von der Uni Gießen.
Erbgut der Erreger in Datenbank hinterlegt
Weitere Studien seien nötig, um die Ursachen und die klinische Bedeutung dieser Veränderung zu untersuchen, betont Prof. Trinad Chakraborty, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Gießen und Koordinator am DZIF-Standort Gießen-Marburg-Langen. Die aktuelle Studie wurde im Fachmagazin Infectious Diseases veröffentlicht.
Seit 2013 arbeiten Wissenschaftler des DZIF-Schwerpunkts „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien“ mit dem Forschungsverbund RESET in Gießen eng zusammen bei der Sammlung multiresistenter Infektionserreger von Tier und Mensch. Das Erbgut der Isolate wurde in der Bioinformatischen Abteilung des DZIF sequenziert und die bakteriellen Genome in einer Datenbank hinterlegt. Diese Genom-Datenbank wird immer wieder erfolgreich genutzt, um das Vorkommen von Resistenzen näher zu untersuchen.
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