Angebot und Nachfrage regulieren bekanntlich den Markt. Im Gesundheitswesen ist das nicht anders. Die Statistik der Bundesärztekammer zeigt, dass die Zahl der Ärzte im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent zugenommen hat. Das bedeutet einen Anstieg um 6.055 Ärzte auf nunmehr 371.302 bundesweit. Trotzdem warnt die Bundesärztekammer vor einem Ärztemangel. Der Grund: Die Nachfrage steigt noch schneller. Demnach hat sich zwischen 2004 und 2014 die Zahl der ambulanten Behandlungen in Deutschland um 152 Millionen erhöht. Einen ähnlichen Trend gibt es auch im stationären Bereich. Ursache ist der steigende Behandlungsbedarf einer alternden Gesellschaft. So ist mittlerweile jeder zweite Krankenhauspatient älter als 60 Jahre. Nach Prognosen der Unternehmensberatung Deloitte wird diese Zahl bis 2030 auf knapp 61 Prozent steigen. Damit wird es insgesamt zwölf Prozent mehr Behandlungsfälle in deutschen Krankenhäusern geben.
Mehr Medizinstudienplätze allein werden die Versorgungslücke nicht schließen
Die Bundesärztekammer ist alarmiert und fordert mehr Medizinstudienplätze. „Wenn wir jetzt nicht entschieden gegensteuern, steht die medizinische Versorgung in Zukunft vor immensen Problemen“, warnte deren Präsident Frank Ulrich Montgomery. 1990 habe es in den alten Bundeländern noch 12.000 Plätze im Studiengang Humanmedizin gegeben. Heute seien es gerade noch 10.000. Zehn Prozent mehr Studienplätze seien daher angemessen, sagte er.
Deutschland hat allerdings das Problem, dass viele Medizinstudenten später nicht in die medizinische Versorgung gehen, sondern etwa in die Forschung oder in die Industrie. Auch entscheiden sich viele lieber eher für eine Spezialisierung, etwa Chirurgie oder Onkologie, als für die Allgemeinmedizin. Diese Ärzte gehen dann für die hausärztliche Grundversorgung verloren.
Allgemeinmedizin den Studenten schmackhaft machen
Dieses Dilemma muss nach Ansicht Montgomerys die Bundesregierung durch Reformen des Medizinstudiums beheben. Einmal durch geeignetere Auswahlverfahren der Medizinstudenten. „Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen ausgewählt werden, die hinterher auch in der Versorgung der Bevölkerung arbeiten wollen“, sagte er. Neben der Abiturnote müssten daher Faktoren wie psychosoziale Kompetenzen, soziales Engagement und einschlägige Berufserfahrung stärker berücksichtigt werden. Zum anderen sollten Medizinstudenten gleich zu Beginn des Studiums an die Allgemeinmedizin herangeführt werden, um den Ärztemangel im hausärztlichen Bereich zu mildern. Montgomery sprach sich dafür aus, bis 2017 an allen medizinischen Fakultäten in Deutschland Lehrstühle für Allgemeinmedizin einzuführen.
Ärzte wollen heute weniger arbeiten
Doch selbst wenn sich ein Medizinstudent heute für den Arztberuf entscheidet, bedeutet das nicht, dass er so hart wie sein Vorgänger arbeiten will. Wie Umfragen zeigen, räumen die angehenden Mediziner der Vereinbarkeit von Familie und Beruf die höchste Priorität ein. Knapp dahinter folgt der Wunsch nach geregelten und flexibel gestaltbaren Arbeitszeiten – noch vor guten Verdienstmöglichkeiten.
Deshalb entscheiden sich immer mehr Ärzte gegen eine Vollzeitstelle. Waren 2009 noch 5 Prozent der niedergelassenen Ärzte in einer Teilzeitstelle tätig, waren es 2013 bereits 13,6 Prozent. Dadurch ist auch die wöchentliche Arbeitszeit in Arztpraxen gesunken – von durchschnittlich 42,6 Stunden im Jahr 2011 auf 40,2 Stunden im Jahr 2014. Bei den Krankenhausärzten ging die Zahl der geleisteten Wochenstunden zwischen den Jahren 1991 und 2013 von 37,6 auf 29,8 Stunden zurück. Montgomery: „Es wächst eine sehr selbstbewusste Ärztegeneration nach. Sie ist verständlicherweise nicht mehr bereit, Versorgungslücken bedingungslos auf Kosten der eigenen Lebensplanung zu schließen.“
Da gleichzeitig auch die Ärzteschaft altert und viele der heute noch in Vollzeit tätigen in absehbarer Zeit ausscheiden werden, scheinen der Ärztemangel bzw. Versorgungslücken vorprogrammiert.
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