
Masernimpfung schützt doppelt und dreifach. Denn eine Maserninfektion löscht das Immungedächtnis über Jahre
Impfgegner behaupten, dass eine Maserninfektion das Immunsystem stärke. Nach dieser Logik stimmt es auch, dass ein Flugzeugabsturz den Piloten erfahrener macht. Wie viel Menschen dabei Schaden nehmen oder zu Tode kommen, interessiert die Anti-Impflobby nicht. Dabei sind Masern nicht nur während der akuten Krankheitsphase gefährlich. Sie schwächen auch das Immunsystem über Jahre, weil die Viren einen Teil des Immungedächtnisses löschen.
Diesen Nachweis konnten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung zusammen mit Kollegen aus Großbritannien und den Niederlanden in einer aktuellen Arbeit erbringen. In einer kürzlich im Vereinigten Königreich (UK) durchgeführten Masern-Kohortenstudie wurde nachgewiesen, dass zehn bis 15 Prozent der Kinder noch fünf Jahre nach einer Maserninfektion Anzeichen einer deutlichen Beeinträchtigung des Immunsystems hatten, was zu einem erhöhten Auftreten sekundärer (weiterer) Infektionen führte.
Masern lösen Immunamnesie aus
„Die Ergebnisse bestätigen, dass das Immunsystem nach einer Maserninfektion quasi vergisst, mit welchen Erregern es zuvor in Kontakt gekommen war. Es kommt zu einer "Immunamnesie", sagt Prof. Veronika von Messling, ehemalige Veterinärmedizinerin am Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), die an der Studie mitgewirkt hat.
Um herauszufinden, welche Mechanismen zu der Unterdrückung des Immunsystems führen, hatten die Wissenschaftler die Rezeptorvielfalt der Immunzellen und die Entwicklung der B-Gedächtniszellen (wichtige Immunzellen) bei verschiedenen Personengruppen analysiert. Verglichen wurden ungeimpfte Personen mit und ohne vorangegangene Maserninfektion sowie Personen, die gegen Masern geimpft waren.
Während die genetische Zusammensetzung und Vielfalt der B-Gedächtniszellen bei Personen ohne Maserninfektion und bei geimpften Personen stabil war, fand sich bei Personen nach einer Maserninfektion eine signifikante Zunahme der Mutationsfrequenz in diesen Zellen sowie ein verändertes Isotypen(Variations)-Profil. Bei etwa zehn Prozent der mit Masern infizierten Personen in der Untersuchung war die Vielfalt der Immunzellen sogar sehr stark beeinträchtigt. Zudem fand sich eine Verschiebung hin zu immunologisch unreifen B-Zellen, was auf eine beeinträchtigte B-Zellreifung im Knochenmark hinweist.Reifungsprozess der B-Zellen gestört
Während die genetische Zusammensetzung und Vielfalt der B-Gedächtniszellen bei Personen ohne Maserninfektion und bei geimpften Personen stabil war, fand sich bei Personen nach einer Maserninfektion eine signifikante Zunahme der Mutationsfrequenz in diesen Zellen sowie ein verändertes Isotypen(Variations)-Profil. Bei etwa zehn Prozent der mit Masern infizierten Personen in der Untersuchung war die Vielfalt der Immunzellen sogar sehr stark beeinträchtigt. Zudem fand sich eine Verschiebung hin zu immunologisch unreifen B-Zellen, was auf eine beeinträchtigte B-Zellreifung im Knochenmark hinweist.
Untersuchungen an Frettchen bestätigten die Ergebnisse. Die Tiere wurden zunächst gegen Grippe geimpft und einige Tiere mit einem mutierten Hundestaupevirus (canine distemper virus, CDV), das mit dem Masernvirus verwandt ist, infiziert. Die mit CDV infizierten Tiere verloren die meisten Antikörper gegen Influenza und hatten einen schwereren Krankheitsverlauf als nicht zuvor mit CDV infizierte Tiere, als sie zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Influenzavirus infiziert wurden.
Masernimpfung schützt auch vor anderen Infektionskrankheiten
„Das Immungedächtnis kann bei einer Maserninfektion schwer beeinträchtigt werden“, fasst Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts die neuen Erkenntnisse zusammen. Die Masernimpfung sei daher nicht nur für den Schutz vor Masernviren wichtig, sondern schütze auch vor dem Auftreten oder schweren Verläufen anderer Infektionskrankheiten. bekannt war, dass es bei einer Maserninfektion häufiger auch zu weiteren Infektionen wie beispielsweise bakteriell bedingten Lungen- oder Mittelohrentzündungen kommt. Dass das Immunsystem für Jahre einen guten Teil seines Gedächtnisses verliert, konnte jetzt erstmals bewiesen werden.
Masern könnten längst ausgerottet sein – doch das Gegenteil ist der Fall: In den ersten sechs Monaten 2019 wurden weltweit fast dreimal mehr Fälle gemeldet wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Foto: DAK