
Lungenforscher haben Lungenhochdruck mit einem Krebsmedikament erfolgreich behandelt
Bei Lungenhochdruck kommt es zu einer krankhaften Verengung bzw. Verdickung der Lungengefäße und infolgedessen zu einem überhöhten Druck in der Lungenarterie. Die Betroffenen leiden unter Atemnot, blauen Lippen, Beinödemen, Brustschmerzen und klagen allgemein über schnelle Erschöpfung und Ermüdung. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich die sogenannte pulmonale Hypertonie (PAH) zu einem lebensbedrohlichen Zustand entwickeln, der oft zu einem tödlichen Herzversagen führt.
Neue Spur bei Lungenhochdruck gefunden
Wissenschaftler der Universität Gießen verfolgen nun eine neue Spur, um der zerstörerischen Krankheit entgegenzuwirken. Im Lungengewebe und in isolierten Zellen von Lungenhochdruckpatienten fanden sie hohe Konzentrationen eines Proteins, das man sonst nur bei Krebspatientinnen mit Brustkrebs kennt. Bei dem nun identifizierten Schlüsselprotein handelt es sich um Zyklin-abhängigen Kinasen (CDKs 2, 4 und 6), die sich mit speziellen CDK-Inhibitoren aus der Krebstherapie hemmen lassen.
Daraus folgerte das Team um Prof. Friedrich Grimminger und Prof. Ralph Schermuly die Hypothese, dass CDK-Inhibitoren auch den überaktivierten Signalweg bei den Lungenkranken so wirksam hemmen können, dass die Erkrankung zum Stillstand kommt. In vorklinischen Experimenten setzten die Lungenforscher nun die beiden CDK-Inhibitoren Dinaciclib und Palbociclib ein, die bereits in der Tumorbehandlung erfolgreich getestet wurden. Palbociclib ist aufgrund seiner hemmenden Eigenschaften auf Tumorzellen bereits zur Behandlung des fortgeschrittenen Brustkrebses zugelassen.
Regeneration der krankhaft verengten Blutgefäße
Die Ergebnisse waren sogar besser als erwartet: Zum einen wurde der krankhafte Umbau der Blutgefäße gestoppt. Zum anderen gelang es, die bereits krankhaft verengten Blutgefäße zu regenerieren.
„Die Beobachtung, dass bereits entstandene krankhafte Wandververdickungen der Blutgefäße „repariert“ werden konnten, ist ein unerwarteter Erfolg“, sagt Prof. Grimminger, der selbst als Onkologe arbeitet. In den isolierten Zellen führte die gezielte Hemmung der CDKs durch Abschaltung eines nachgeschalteten Signalwegs (CDK-Retinoblastoma-Protein-E2F-Signalweg) zu einer Unterbrechung des Zellwachstums und damit zur signifikanten Abnahme der übermäßigen Zellvermehrung. In zwei experimentellen Modellen des Lungenhochdrucks zeigte Palbociclib eine Reduzierung des krankhaften Gefäßumbaus. Damit einhergehend zeigte sich insgesamt eine deutliche Verbesserung der Herzleistung.
CDK-Inhibitoren könnten Therapieoption für Lungenhochdruck sein
„Die Daten zeigen, dass die Hemmung von CDK durch Wirkstoffe wie Palbociclib eine neue Therapieoption für die Behandlung von PAH-Patienten darstellt, die am krankhaften Gefäßumbau der Lunge und des rechten Herzens ansetzt“, erklärt Prof. Schermuly.
Auch wenn die Entstehung und Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie insgesamt komplex seien, ließen die Ergebnisse hoffen, dass sich das Fortschreiten der Erkrankung durch die Hemmung des Gefäßumbaus eindämmen lasse und somit der Leidensdruck der Patienten verringert werde.
Die Arbeit wurde beim diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie mit dem Preis der Rene-Baumgart Stiftung ausgezeichnet. Erschienen ist sie in der aktuellen Ausgabe von „Nature Communications“ unter dem Titel „Targeting cyclin-dependent kinases for the treatment of pulmonary arterial hypertension.“
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