Jedes dritte Schulkind hat Karies in den bleibenden Zähnen

„Er HAT gebohrt": 240.000 Kinder mussten im Jahr 2018 wegen Karies invasiv vom Zahnarzt behandelt werden. – Foto: ©srisakorn - stock.adobe.com
Ein Drittel (33 Prozent) der Zwölfjährigen in Deutschland hat bereits Karies im bleibenden Gebiss und musste deshalb vom Zahnarzt mit Bohrer und Füllungen behandelt werden. Das sind 240.000 Kinder – 100.000 mehr als bisher angenommen. Bisher gingen Studien davon aus, dass nur jedes fünfte Kind (19 Prozent) davon betroffen ist. Das sind zentrale Ergebnisse des jetzt vorgelegten Barmer-Zahnreports 2020. „Um die Zahngesundheit bei Kindern in Deutschland ist es längst nicht so gut bestellt, wie bislang angenommen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Christoph Straub, bei der Vorstellung des Reports. „Damit wird Karies im Kindesalter unterschätzt.“
Milchzahnkaries: Gefahr von Folgeschäden im bleibenden Gebiss
Wie aus dem Barmer-Zahnreport weiter hervorgeht, haben Kinder oftmals bereits im Milchgebiss Karies. 54 Prozent der Zehnjährigen in Deutschland, also rund 400.000 Kinder, haben hier schon eine Kariesbehandlung benötigt. Diese Zahlen seien nicht nur aufgrund der Quantität alarmierend, sagte Studienautor Prof. Michael Walter von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der TU Dresden. „Wer schon im Milchgebiss Karies hat, wird oft auch Karies und Folgeschäden im bleibenden Gebiss haben. Nicht zuletzt verursacht auch die Milchzahnkaries zum Teil starke Schmerzen und führt dann zu psychischer Belastung von Kindern und Eltern.“ Milchzähne gelten als besonders wichtig: fürs Sprechen, Kauen und eine korrekte Entwicklung des späteren „Erwachsenengebisses".
Innerhalb Deutschlands sind dem Report zufolge bei der Zahngesundheit deutliche regionale Unterschiede zu beobachten, wobei die Ursachen dafür medizinisch noch unklar sind.
Kinder mit Karies: Hamburg an der Spitze
- Hamburg (Anteil der Kariösen bei Zwölfjährigen: 39,1 Prozent)
- Bayern (38 Prozent)
- Thüringen/Sachsen-Anhalt (36,9 Prozent)
Kinder ohne Karies: Saarland vorne
- Saarland (Anteil der Gesunden bei Zwölfjährigen: 69,3 Prozent)
- Bremen (68,7 Prozent)
- Rheinland-Pfalz (68,1 Prozent)
Gut gegen Karies: Zähneputzen und Check beim Zahnarzt
Als Hauptursachen für die Verbreitung von Karies nennt die Studie mangelhafte oder erst zu spät betriebene Zahnpflege und ungesunde Ernährung. „Zahnpflege darf nicht erst im bleibenden Gebiss beginnen, sondern sollte schon bei den Milchzähnen zur täglichen Routine gehören", sagte Barmer-Vorstandschef Straub. „Dass hier offenbar deutliche Defizite bestehen, zeigt unser Zahnreport sehr eindrücklich. Das beste Mittel gegen Karies ist immer noch die Prävention. Dazu gehören neben der täglichen Zahnhygiene wie Zähneputzen auch die regelmäßigen Zahnarztbesuche. Doch daran scheint es zu hapern“, sagte Barmer-Vorstandschef Straub.
Jedes siebte Kleinkind war noch nie beim Zahnarzt
Der Anteil der Kinder, die über einen Zeitraum von sechs Jahren überhaupt keinen Kontakt zu einem Zahnarzt gehabt hätten, sei erstaunlich hoch, sagte der Barmer-Vorstandschef weiter. Bei den Kindern unter sechs Jahren seien es sogar mehr als 15 Prozent. Von den 4,6 Millionen Kindern unter sechs Jahren sind damit dem Report zufolge rund 720.000 noch nie beim Zahnarzt gewesen.
Zusammenhang zwischen Elterneinkommen und Kinderkaries
Eine Analyse von Versicherungdaten legt auch einen ökonomisch-sozialen Zusammenhang nahe zwischen dem Einkommen der Eltern auf der einen Seite und dem Behandlungsbedarf aufgrund von Karies bei Heranwachsenden unter 18 auf der anderen. In vielen Industrie- und Schwellenländern und auch in Deutschland gebe es „eine zunehmende Polarisierung“, sagte Barmer-Chef Straub. „Wenige Kinder und Jugendliche haben besonders viel Karies.“
Ernährung und Zahnpflege: Eltern in der Pflicht
Studienleiter Walter appellierte an die Eltern, sich ihrer Verantwortung für Ernährung und Zahnpflege der Kinder bewusst zu sein und weist auf die langfristigen Folgen von Kinder-Karies hin: „Wegen der Bedeutung für das ganze Leben sollte der Mundgesundheit von Kindern und Jugendlichen eine besondere Aufmerksamkeit gelten“.
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